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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Lenz zuletzt gesehen?«, fragte Rath. »Sie persönlich.«
    Marlow holte eine Zigarre aus einer Kiste, die auf seinem Schreibtisch stand, und knipste die Spitze ab, eine Geste, die irgendwie bedrohlich wirkte. »Letzte Woche«, sagte er und paffte kleine Wolken Zigarrenrauch in den Raum. »Im Krankenhaus. Wir haben einen unserer Leute besucht. Kettler. Sie wissen schon: der, den die Piraten zum Krüppel gemacht haben.«
    »Ein kleiner Drogenhändler? Den besuchen Sie persönlich?«
    »Man muss den Leuten klarmachen, dass man sich um sie kümmert. Sonst erliegen sie am Ende noch den Versprechungen der preußischen Polizei.«
    »In welchem Krankenhaus war das? Und wann?«
    »Letzten Freitag. Am Friedrichshain. So häufig sehen wir uns nicht. Wir telefonieren hauptsächlich.«
    »Und wann das letzte Mal?«
    »Montagmorgen. Da war er noch zuhause.«
    »Kannten Sie seine Pläne für den Tag?«
    »Nur, dass wir uns am Abend in der Amor-Diele sehen wollten. Krehmanns Hinterzimmer ist sozusagen Hugos Arbeitszimmer. Und manchmal eben auch meines.«
    »Worum sollte es bei Ihrem Treffen gehen?«
    »Tut das etwas zur Sache?«
    Rath zuckte die Achseln. »Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn ich ihn gefunden habe.«
    »Es ging um die Nordpiraten. Um Gegenmaßnahmen. Gegenmaßnahmen, die nicht gleich einen offenen Krieg auslösen, aber den Respekt vor der Berolina wiederherstellen. Und damit auch vor mir.« Marlow balancierte die Asche seiner Zigarre und ließ sieschließlich in den Aschenbecher fallen. »Lenz war morgens am Telefon ganz optimistisch, er schien einen Plan zu haben. Dummerweise hat er ihn mir nicht mehr verraten können.«
    »Könnte dieser Plan etwas mit dem Verschwinden von Rudi Höller zu tun haben? Hat Lenz ihn womöglich beseitigt und ist dann untergetaucht?«
    Marlow schüttelte den Kopf. »Davon wüsste ich. Ich fürchte eher, dass Hugos Plan etwas mit seinem eigenen Verschwinden zu tun hat.«
    »Weil die Piraten dahintergekommen sind und ihn vorher erwischt haben ...«
    »Das wäre die naheliegende Vermutung. Aber glauben kann ich es nicht. Das würde bedeuten, die Piraten legen es darauf an, in einen offenen Krieg mit der Berolina zu gehen.«
    »Und das ist so unwahrscheinlich?«
    »Das hieße, dass die Piraten entweder unglaublich dämlich wären, und das würde ich nicht einmal Lapke unterstellen, oder aber ...« Marlow machte eine nachdenkliche Pause. »... oder aber die Piraten haben einen Trumpf im Ärmel, von dem ich noch nichts weiß.«
    »Was für einen Trumpf?«
    »Das herauszufinden, wäre dann Ihre Aufgabe. Vielleicht ist es dieser Gangster. Oder jemand mit Uniform.«
    »Ein Polizist? Wie kommen Sie darauf?«
    Marlow antwortete nicht; er drückte einen Knopf unter dem Schreibtisch, und gleich darauf öffnete sich eine Tür, die Rath einen kurzen Blick in die Künstlergarderobe erlaubte, oder wie man diesen Raum hier im Venuskeller auch nennen mochte; der Raum jedenfalls, in dem die Mädchen sich für ihren Bühnenauftritt umzogen – was in den meisten Fällen hieß: auszogen. Auch die Blondine, die jetzt durch diese Tür kam, trug nichts außer einem weißen Bademantel und einem glitzernden Diadem. Sie schien hinter der Tür auf diesen Moment gewartet zu haben und legte einen gelungenen Auftritt hin, als sie in das Büro spazierte und dabei den leichten Bademantel so elegant flattern ließ, dass er immer wieder neue Ansichten ihres Körpers freigab. Rath staunte.
    »Christine, das ist der Kommissar, von dem ich dir erzählt habe.«
    Marlow wies mit der Hand auf den Ledersessel, und Christineschaute Rath aus einem frechen Berliner Görengesicht derart taxierend und aufreizend an, dass er spürte, wie es zwischen seinen Beinen zu kribbeln begann. Was nicht zuletzt auch daran lag, dass Christine sich ein wenig nach vorn beugte, als sie ihm ihre Hand entgegenstreckte, und dabei wie zufällig zwei prächtig geformte Brüste zur Schau stellte. Rath versuchte, auf andere Gedanken zu kommen, dachte an Frau Lennartz, seine Hauswartsfrau, und ihre schwabbeligen Arme, die einen Putzlappen über einem Blecheimer mit schmutzigem Wasser auswrangen.
    »Angenehm«, sagte er, stand auf und nahm ihre Hand.
    »Das sehe ich«, entgegnete Christine.
    Rath ließ sich zurück in den Sessel fallen und versuchte, seine Sinne zu sammeln. Das Mädchen setzte sich auf die Schreibtischkante und schlug die Beine so übereinander, dass der Bademantel sie komplett freigab. Ohne irgendjemanden zu fragen, fingerte sie eine

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