Goldstein
erwartet. Folgen Sie mir bitte.«
Der Wachhund brachte ihn nicht zum Eingang des Venuskellers , am Fuß jener Treppe, die ebenso unscheinbar und dunkel wirkte wie alles andere in diesem Hof, sondern weiter nach hinten. Rath wusste noch, dass diese Treppe direkt ins Büro und die Hinterräume führte. Der Venuskeller mit seinem Lärm und seinen Schweinereien blieb ihm also erspart. Er verspürte im Augenblick auch wenig Lust auf ein illegales Nachtlokal. Der Grinsemann und seine Wut auf Charly hatten ihm den Abend gründlich verdorben. Er war froh, etwas zu tun zu haben, und wenn es Schnüfflerdienste für einen Berliner Gangsterkönig waren. Der Wachhund klopfte zweimal kurz, und Liang öffnete die Tür. Auch das erinnerte Rath an jene Nacht vor zwei Jahren.
Marlows Chinese tastete Rath ab, fischte die Walther aus dem Holster und nahm ihm den Mantel ab. Johann Marlow saß hinter dem Schreibtisch von Sebald, dem Geschäftsführer des Venuskellers . Von dem war jedoch nichts zu sehen. Außer Marlow, Rath und Liang befand sich niemand im Raum. Sebalds Büro schien eines der vielen Arbeitszimmer zu sein, die Johann Marlow über die ganze Stadt verteilt hatte und je nach Bedarf nutzte. Durch die Tür konnte man dumpf die Musik hören, mit der die Gäste drinnen auf Trab gebracht werden sollten. Marlow begrüßte Rath freundlich wie immer. Er stand sogar auf und gab ihm die Hand.
»Setzen Sie sich doch«, sagte er und wies auf den Ledersessel, den Liang schon zurechtrückte. Der Chinese, wieselflink und lautlos, schien immer an mehreren Orten gleichzeitig zu sein und Marlows Gedanken geradezu vorauszuahnen. Rath ließ sich in die Polster sinken. Liang stellte ein Whiskyglas hin und schenkte ungefragt ein.
»Ich meine mich zu erinnern, dass Ihnen mein Malt geschmeckt hat«, sagte Marlow und hob sein Glas.
Rath zündete sich eine Overstolz an. Gingen schon wieder zur Neige, er hatte mehr geraucht, als ihm gut tat. Vor allem in den letzten fünf Stunden, nachdem der Grinsemann ihm Charlys Tür geöffnet hatte. Dass er dem Kerl die Blumen um die Ohren geschlagen hatte, die eigentlich für Charly gedacht waren, hatte seine Wut nicht vertreiben können, also hatte er versucht, sie wegzurauchen. Was natürlich auch nicht funktionierte.
»Sie wollten mir das Mädchen vorstellen, das Mädchen des roten Hugo«, sagte er und merkte, dass er sich ein wenig im Ton vergriffen, ein wenig zu unfreundlich geklungen hatte.
»Später.« Marlow lächelte, doch es wirkte nicht wie ein Lächeln, eher wie ein Zähnezeigen. »Ich habe mich ein bisschen umgehört«, sagte er. »Sie überwachen diesen Goldstein?«
Rath nickte. »Seit Montag.«
»Warum haben Sie mir das nicht erzählt?«
»Weil ich nicht glaube, dass er etwas mit dem spurlosen Verschwinden irgendwelcher Berliner Gangster zu tun hat. Hat sein Hotel seit Tagen nicht mehr verlassen.«
»Also hat er auch niemanden umgebracht ...«
»Genau deswegen überwachen wir ihn.«
»Sehr fürsorglich, die Polizei. Als ob es Ihnen und Ihren Kollegen etwas ausmacht, wenn einer wie Hugo aus dem Verkehr gezogen wird ...«
»Oder Ratten-Rudi ...«
»Hören Sie mir doch auf mit diesem Idioten. Der interessiert hier nicht. Was ist mit Lenz?«
Rath nahm einen Schluck Whisky und erzählte. Er hatte den Tagesablauf des roten Hugo am Tag seines Verschwindens so weit wie möglich rekonstruiert. Demnach war Lenz, nachdem er sein Haus verlassen hatte, zunächst einmal in die Amor-Diele gefahren, um dort zu Mittag zu essen und Hof zu halten, hatte Männer empfangen, die sich über weitere Übergriffe der Piraten beschwert hatten. Einem Kioskbetreiber, der seit ewigen Zeiten Schutzgeld an die Berolina zahlte, hatten sie den Laden zertrümmert, einen Kokainhändler aus einem Nachtclub vertrieben, der immer schon zum Revier der Berolina gehört hatte, und zwei Buchmacher krankenhausreif geprügelt. Rath hatte mit allen vier Männern sprechen können: Der rote Hugo hatte ihnen allesamt versprochen, die Piraten würden schon bald kleinere Brötchen backen, und all die Dinge, die derzeit in Schieflage geraten waren, würden in wenigen Tagen wieder in Ordnung gebracht. Dann hatte er seinem Fahrer und Leibwächter freigegeben und war allein zu einer Verabredung gefahren. An der Stralauer Allee hatten Marlows Leute Lenz’ rot-schwarzen Horch gefunden, gleich am Osthafen.
»Haben Sie eine Vermutung, was er dort gewollt haben könnte?«, fragte Rath.
Marlow schüttelte den Kopf.
»Wann haben Sie Hugo
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