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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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der Himmelfahrtkirche. Das Opfer erlitt Schuss- und Stichwunden. Bei dem Toten, der seinen schweren Stichverletzungen erlag, handelt es sich um den SA-Rottenführer Gerhard Kubicki, wohnhaft Berlin-Gesundbrunnen, derzeit ohne feste Anstellung. Die Polizei vermutet, daß Kubicki Opfer einer politisch motivierten Rauferei geworden ist und bittet die B.Z.-Leser um Mithilfe. Wem ist am Abend oder in der Nacht auf Mittwoch im Volkspark Humboldthain oder im näheren Umkreis etwas Ungewöhnliches aufgefallen, insbesondere Tätlichkeiten zwischen politisch verfeindeten Gruppierungen? Eventuelle Zeugen mögen sich im nächsten Polizeirevier melden oder direkt bei der Kriminalpolizei im Polizeipräsidium Alexanderplatz, Fernsprecher: Berolina 0023.
    Goldstein schob den Kuchenteller beiseite. Der Appetit war ihm vergangen. Ein ganz schönes Theater, das die Polizei da veranstaltete. Zeugen gesucht.
    Verdammt!
    Er drückte die Camel aus und schob fünf Dollar unter die Untertasse. Er spürte instinktiv, dass diese Sache noch Ärger nach sich ziehen würde. Er musste etwas unternehmen.
    49
    S o langweilig es auch sein mochte, den Aufpasser für Abraham Goldstein zu spielen, Rath war ganz zufrieden mit seinem Arbeitstag, als er am Anhalter Bahnhof in den Buick stieg. Wie es aussah, hatten sie den Ami bald mürbe gemacht. Wie musste sich jemand fühlen, der den ganzen Tag in seinem Hotelzimmer verbrachte? Das Mittagessen war die einzige Mahlzeit, zu der Goldstein seine Suite verlassen hatte. Das Frühstück hatte er sich aufs Zimmer bringen lassen, ebenso in der Nacht zuvor das Abendessen, wie Czerwinski penibel notiert hatte. Eine Platte kaltes Roastbeef und eine Flasche Champagner im Kühler. Mit irgendwas musste sich der Mensch ja trösten.
    Er genoss es, wieder in seinem Buick zu sitzen. Die Werkstatt hatte gute Arbeit geleistet, der Wagen wirkte wie neu. Ihm war klar, dass Marlow dafür eine Gegenleistung erwartete, aber die würde er auch bekommen. Die Recherche für Doktor M. war jedenfalls hundertmal interessanter als das Wacheschieben im Excelsior . Oder diese ebenso dämliche wie vergebliche Suche nach einem Straßenmädchen, in die Charly ihn verwickelt hatte.
    Verdammt!
    Die endlosen Stunden im Excelsior hatten ihm viel zu viel Zeit gelassen, über den Streit mit Charly nachzudenken. Immer wieder dieses Bild, ihr grüner Hut, der zwischen den Baugerüsten im S-Bahnhof verschwand. Ein paarmal hatte er kurz davor gestanden, sie anzurufen; das Telefon, das er sich auf den Schreibtisch hatte legen lassen, lud förmlich dazu ein. Einmal hatte er das Fräulein vom Amt schon an der Strippe gehabt, dann aber einfach wieder aufgelegt, statt Charlys Nummer zu nennen.
    Sie ging ihm nicht aus dem Kopf. Er war wütend auf sie, auf ihren Sturkopf, auf den Streit, den sie – so empfand er es wenigstens – derart unnötig vom Zaun gebrochen hatte. Und gleichzeitig hätte er sie am liebsten in den Arm genommen, sich mit ihr versöhnt, und das nicht nur, weil sie meistens im Bett landeten, wenn sie sich nach einem Streit wieder versöhnten. Aber der Streit gestern war anders gewesen als sonst, das spürte er.
    Er hätte ihr verdammt noch mal den Antrag machen sollen, wieer es geplant hatte, längst schon hätte er das machen sollen. Aber nie hatte es in den vergangenen Monaten gepasst. Etwas Besonderes hatte es sein sollen, deshalb hatte er die Fahrt nach Köln organisiert. Sogar Fußballkarten besorgt. Alles genauestens geplant, den Tisch in der Bastei schon bestellt für den Tag nach dem Spiel. Dann hätte er Charly seinen Eltern offiziell als seine Verlobte vorgestellt, um seine Sohnespflicht zu erfüllen, hätte es ihnen einfach um die Ohren geschlagen, dass er fest entschlossen war, eine Evangelische zu heiraten, und wäre dann wieder nach Berlin verschwunden, um Ruhe vor ihnen und ihren Ratschlägen zu haben.
    Die Bastei war eines der elegantesten Restaurants der Stadt, ein großzügiger, moderner Bau mit grandiosem Blick auf Dom und Rhein. Der Kellner war eingeweiht. Ringe im Champagnerglas. Dann aber waren sie am Nachmittag seiner Mutter über den Weg gelaufen. Dass er nicht daran gedacht hatte, dass sie jeden Montag zu Leonhard Tietz einkaufen ging. Offensichtlich immer noch.
    Sie waren am Abend noch essen gegangen wie geplant, der Tisch war schließlich bestellt. Doch es hatte alles nicht gepasst. Im letzten Moment hatte Rath den Kellner abfangen können und die Ringe, die bereits in den Gläsern gelegen hatten, wieder

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