Goldstein
Dienst?«
Lange nickte. »Wollte sich nicht einmal krankschreiben lassen.«
»Warum haben Sie mich herbestellt, Herr Lange? Ich würde das gerne wissen, bevor ich etwas bestelle.«
»Zwei Dinge.« Lange lächelte. »Ich weiß, dass Sie dem Mädchen auf der Spur sind. Machen Sie weiter damit. Versuchen Sie, Alexandra zu finden.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Kriminalrat Gennat hatte gehofft, Sie sind noch interessiert an dem Fall.«
Charly musste grinsen.
»Gut«, sagte sie. »Ich werde Ihnen helfen. Unter einer Bedingung.«
»Welche wäre?«
»Sie müssen mir versprechen, dass Sie Alex schützen.«
»Selbstverständlich wird sich eine Kooperation mildernd auf ihr Gerichtsurteil auswirken.«
»Das meine ich nicht. Ich kann Ihnen Alex nicht ausliefern, das wird nicht funktionieren. Wenn sie kommt, dann freiwillig. Und wenn sie wieder gehen möchte, lassen Sie sie gehen.«
»Wie stellen Sie sich das vor? Ich bin Polizist! Was soll ich dem Staatsanwalt sagen? Da gibt’s eine Zeugin, die habe ich auch vernehmen können, aber dann ist sie mir leider entwischt, steht für die Gerichtsverhandlung nicht zur Verfügung?« Er zuckte die Achseln. »Tut mir leid, aber so kann das nicht funktionieren.«
»Entweder funktioniert es so oder gar nicht. Ich möchte nicht schuld daran sein, dass diesem Mädchen etwas geschieht. Dass sie möglicherweise ermordet wird.«
»Meinen Sie wirklich, sie schwebt in solch großer Gefahr?«
Charly nickte. »Ja, das meine ich.«
Lange trank noch einen Schluck Mineralwasser und schien zu überlegen.
»Gut«, sagte er schließlich. »Sie haben mein Wort. Ich werde dieses Mädchen schützen.«
Charly drückte ihre Zigarette aus. »Zwei Dinge, haben Sie gesagt. Was ist das Zweite?«
Lange schob ihr die Kopie einer Personalakte über den Tisch. »Behalten Sie diesen Mann im Auge, so gut es geht.«
Charly klappte die Mappe auf und blickte in das Gesicht eines Hauptwachtmeisters namens Jochen Kuschke.
»Das ist er«, hörte sie Lange sagen. »Ihn haben wir in Verdacht.«
»Ich kann ihn doch nicht rund um die Uhr beschatten.«
»Das sollen Sie auch nicht. Solange er im Dienst ist, haben wir ihn im Blick; er geht vorerst nicht allein auf Streife. Aber nach Feierabend wäre es ganz gut, wenn Sie sich ab und zu an die Fersen dieses Mannes heften. Wenn Sie es einrichten können – die Suche nach Alex geht vor.«
»Warum ich? Was ist mit der Inspektion J?«
»Ihr Gesicht kennt er nicht, da wird er keinen Verdacht schöpfen. Bei den Fahndern könnte das anders sein; vielleicht kennt er den ein oder anderen Kollegen. Wir wollen kein Risiko eingehen.«
Der Kellner erschien und nahm die Bestellung auf. Charly beschloss, nicht auf den Preis zu achten.
Als sie eine Stunde später an der Frankfurter Allee aus der U-Bahn stieg, musste sie immer noch an das konspirative Treffen mit Andreas Lange denken. Kriminalrat Gennat hatte den jungen Kriminalassistenten auf sie angesetzt, weil er Mitstreiter brauchte bei dem schwierigen Unterfangen, einen preußischen Polizisten wegen Mordes im Dienst zu belangen, und sie würde sich nicht drücken. Ernst Gennat, das war ihr großer Held, vielleicht sogar ihr Vorbild, natürlich hatte sie zugesagt. Zumal Lange ihr im Namen Gennats tatsächlich eine Art Gegenleistung für ihre Hilfe angeboten hatte: eine Stelle als Kommissaranwärterin, anzutreten im Sommer 1932, noch vor Abschluss ihres juristischen Vorbereitungsdienstes. Aussicht auf den gehobenen Dienst in der Burg. Dafür würde sie Weber gern die Brocken hinwerfen. Besser, als ihn zaghaft um ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub zu bitten – den er ihr womöglich abgeschlagen hätte, nur um ihr Projekt mit Heymann zu torpedieren. Eine Kündigung würde er nicht ablehnen können.
Charly war sich immer noch nicht ganz sicher, ob sie sich hatte kaufen lassen. War das der Beginn von Bestechlichkeit? Hatte es bei Gereon auch so angefangen? Aber sie tat doch eigentlich nichts Schlimmes, sie tat das, was sie ohnehin gemacht hatte in der vergangenen Woche: Sie suchte Alexandra Reinhold. Warum sollte sie dann dieses Angebot ausschlagen? Kommissaranwärterin schon in einem Jahr. Das alles sagte sie sich, und trotzdem fühltesie sich nicht ganz wohl bei der Sache. Zu viel Geheimniskrämerei, das gefiel ihr nicht. Ließ sich aber wohl nicht vermeiden. Wenigstens konnte sie so sicher sein, dass dem Mädchen nichts passierte. Lange hatte es versprochen. Sie musste nur eines tun: Alex aufspüren, bevor es der
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