Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
Fahndung gelang.
    Charly hatte das Haus in der Kopernikusstraße erreicht und blieb einen Moment stehen, bevor sie das dunkle Treppenhaus betrat. Diesmal würde sie es schaffen, in die Wohnung zu kommen, wäre doch gelacht!
    Es war, wie sie gehofft hatte. Martha Reinhold war allein zu Haus.
    Die Frau erkannte sie gleich. »Ach, Sie sind das«, sagte sie. »Mein Mann ist nicht da, tut mir leid, da sind Sie wohl umsonst gekommen.«
    Martha Reinhold wollte die Tür wieder schließen, doch da hatte Charly ihren Fuß schon in den Spalt geschoben.
    »Das macht nichts, Frau Reinhold«, sagte sie, so freundlich und unverfänglich, wie sie nur konnte, drückte die Wohnungstür wieder auf und trat an der verdutzten Martha Reinhold vorbei in den schmalen Korridor. »Ich wollte mich nur einmal bei Ihnen umsehen.«
    Die Frau war so verdattert, dass sie kein Wort des Protestes über die Lippen brachte. Charly ging gleich durch in die Wohnküche. Eine Holztür führte zur Abseite, einem kleinen Vorratsraum direkt neben dem Herd und dem Spülstein.
    »Was wollen Sie denn noch?«
    Martha Reinhold war ihr gefolgt, doch ihre Gegenwehr brach ein. Als sie Charly am Küchentisch sitzen sah, gab sie nach und setzte sich dazu.
    »Hat mein Mann Ihnen nicht alles gesagt? Dass er mit seiner Familie gebrochen hat. Dass er nichts mehr zu tun hat mit diesen Kommunisten.«
    »Alex ist doch keine Kommunistin, oder? Will er mit seiner Schwester auch nichts mehr zu tun haben?«
    Martha Reinhold schwieg. Sie schien zu den Menschen zu gehören, die zwar ohne Probleme Wahrheiten unterschlagen können, aber nicht in der Lage sind, auch nur eine einzige winzige Unwahrheit auszusprechen.
    Charly merkte, dass sie die Frau in die Enge getrieben hatte. Sie legte nach.
    »Wann haben Sie Alexandra zuletzt gesehen, Frau Reinhold? Sie war hier, nicht wahr? Ist sie das immer noch?«
    »Aber nein!«
    »Aber sie war hier. Bei meinem letzten Besuch war sie in der Wohnung, habe ich recht? Ihr Mann hat ganz bewusst eine Fährte zu seinen Eltern ausgelegt. Er wollte mich loswerden, oder?«
    »Woher soll ich wissen, was mein Mann wollte?«
    »War Alexandra bei Ihnen, hier in dieser Wohnung, letzte Woche oder nicht?«
    Die Frau schwieg eine ganze Weile. Charly dachte schon, sie hätte den Bogen überspannt, da fing Martha Reinhold an zu nicken. Erst langsam, dann immer schneller.
    »Sie war also hier.«
    »Ich hab Helmut gleich gesagt, das geht nicht, wenn die Polizei sie doch sucht.«
    »Ich bin nicht von der Polizei, Frau Reinhold«, sagte Charly, »ich weiß, dass Alex Angst vor der Polizei hat. Ich möchte ihr helfen. Da draußen sind gefährliche Menschen hinter ihr her.«
    »Helmut darf nie erfahren, dass ich seine Schwester verraten habe.«
    »Keine Angst, das wird er nicht. Ich war heute gar nicht hier. Ich möchte nur, dass Sie mir sagen, wo ich Alex finden kann. Wo hat sie sich versteckt?«
    Martha Reinhold hob ihre Schultern. »Wenn ich das wüsste. Die ganzen Tage war sie bei uns, seit Dienstag. Aber ...« Sie holte einen zerknitterten Zettel aus der Tasche ihrer Schürze und faltete ihn auseinander. »Das«, sagte sie, »habe ich heute auf dem Küchentisch gefunden, als ich vom Einkaufen zurückkam. Helmut weiß noch nichts davon, der ist auf Montage, der kommt erst morgen wieder nach Hause.«
    Charly schaute auf den Zettel und las.
    Tut mir leid, stand da in einer krakeligen, aber gleichwohl gut lesbaren Handschrift. Ihr habt mir sehr geholfen, vielen Dank für alles. Werde ich euch nie vergessen. Aber ich muß weiter, hab noch was zu erledigen. Macht euch keine Sorgen um mich, ich komme schon durch. Werde mich irgendwann bei euch revanchieren, versprochen! Alex.
    »Und Sie haben keine Ahnung, wohin sie gegangen sein könnte?«
    Martha Reinhold schüttelte den Kopf, und Charly glaubte ihr. Sie glaubte auch Erleichterung zu spüren, nicht nur wegen der Beichte. Martha Reinhold war froh, dass sie ihre kriminelle Schwägerin wieder los war.
    »Ich glaube, es ist nicht so ihre Sache, sich anderen Menschen anzupassen«, sagte sie. »Mir war klar, dass sie bald wieder gehen würde, wogegen Helmut ...« Sie schaute Charly an. »Ich glaube, er hat sich gewünscht, sie würde ewig bei uns bleiben. Das war wenigstens wieder so etwas Ähnliches wie eine Familie. Und jetzt ... jetzt sind sie wieder in alle Winde zerstreut.«
    62
    E r hatte noch niemandem von dem alten Juden erzählt. Mittlerweile kam der Mann ihm fast schon vor wie eine Erscheinung. Jedenfalls hatte er

Weitere Kostenlose Bücher