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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Rath zuckte die Schultern, entschuldigend, als trüge er auch dafür die Verantwortung. »Jakob Goldstein lebt nicht mehr«, sagte er. »Als wir ins Zimmer kamen, lag er tot in seinem Bett.«
    Böhm stutzte. »Sie wollen mir aber nicht erzählen, dass Goldstein seinen eigenen Großvater umgebracht hat?«
    »Ein komischer Zufall ist es schon, dass der Mann just in dem Augenblick stirbt, in dem sein Enkel ihn besucht, finden Sie nicht? In Absprache mit dem Staatsanwalt habe ich die Leiche jedenfalls in die Gerichtsmedizin bringen lassen. Sicherheitshalber.«
    »Sie wissen, dass der mosaische Glaube Obduktionen verbietet?«
    Bis vor wenigen Stunden hatte Rath das noch nicht gewusst, aber der Stationsarzt hatte es ihm unmissverständlich klargemacht. Er nickte. »Doktor Schwartz ist doch selber Jude«, sagte er, »da wird er schon wissen, was zu tun ist.«
    »Doktor Schwartz ist ein verdammter Agnostiker. Der zerschnibbelt jeden, der ihm unter die Finger kommt.«
    »Dann werde ich den Doktor bitten, behutsam vorzugehen. Vielleicht reicht ja eine Blutuntersuchung oder so etwas. Der Mann war jedenfalls todkrank. Er hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs.«
    »Das sollten Sie Doktor Schwartz auch sagen. Nicht dass er einen Mann untersucht, der womöglich schon seit Stunden tot in seinem Bett lag.«
    »Das kann nicht sein, bis kurz vor Ende der Besuchszeit waren seine Töchter mit ihren Familien bei ihm, und da lebte er noch. Hat die Stationsschwester erzählt.«
    »Goldstein hat noch mehr Verwandtschaft in Berlin?«
    Rath nickte. »Zwei Tanten, wenn ich das richtig sehe.«
    »Verdammt! Warum erfahren wir erst jetzt davon? Besuchen Sie die. Vielleicht wissen die etwas. Da können Sie unserem Kommissaranwärter hier gleich mal zeigen, wie man Informationen aus den Leuten herauskitzelt.«
    Tornow, der Rath hatte reden lassen, wurde aus seiner Lethargie gerissen. Er schaute Böhm ungläubig an. »Entschuldigung, Herr Oberkommissar, aber als Kommissaranwärter bin ich derzeit der Fahndung zugeteilt, Oberkommissar Kilian, und nicht Kommissar Rath, ich – ...«
    »Ich spreche mit Kilian, das geht schon in Ordnung. Vorerst arbeiten Sie mit Rath zusammen.« Böhm schaute Tornow streng an, bemühte sich offensichtlich, verlorene Autorität zurückzugewinnen. »Sie haben uns die Suppe zusammen eingebrockt, dann können Sie das Ganze auch zusammen wieder auslöffeln. Die Suche nach Goldstein hat für Sie beide jetzt absoluten Vorrang, ist das klar?«
    Rath nickte brav. Die Audienz bei Böhm war beendet.
    »Dann sind Sie also, wie es aussieht, vorerst mein Partner«, meinte er, als sie wieder draußen waren, und reichte Tornow die Hand. »Auf gute Zusammenarbeit.«
    Der Kommissaranwärter erwiderte den Händedruck. »Ich weiß, dass ich die Sache im Krankenhaus verbockt habe«, sagte er. »Wäre nicht nötig gewesen, dass Sie mich in Schutz nehmen. Trotzdem danke.«
    »Nun hören Sie schon auf, Sie haben’s nicht verbockt. Und einem wie Böhm muss man schließlich nicht jede Kleinigkeit auf die Nase binden.«
    »Na, ich bin ja hier, um von Ihnen zu lernen«, meinte Tornow und grinste.
    »So ist es«, sagte Rath. »Sie sind jetzt mein Lehrling. Was mich interessieren würde: Warum sind Sie Polizist geworden?«
    Tornow zögerte. »Warum fragen Sie das?«
    »Das frage ich jeden neuen Mitarbeiter.« Rath lachte. »Siekönnen auch gerne mehrere Gründe nennen, wenn Sie sich nicht sicher sind.«
    »Ich bin mir ziemlich sicher.« Tornows Stimme wurde ernst. »Ich habe nur einen einzigen Grund.«
    »Und der wäre?«
    »Meine Schwester.«
    Rath wartete darauf, dass der Kommissaranwärter weitersprach, doch da kam nichts mehr. Sebastian Tornow machte ein derart ernstes Gesicht, dass Rath nicht wagte, weiter nachzubohren. »Na, jetzt holen Sie erst mal Ihre Sachen, dann zeige ich Ihnen das Büro und die Kollegen«, sagte er stattdessen, um das Schweigen zu beenden.
    »Da gibt’s nicht viel zu holen«, entgegnete Tornow. »Außerdem wäre es mir lieber, Böhm spricht erst mal mit Kilian, bevor ich da wieder auftauche.«
    »Na, dann kommen Sie gleich mit. Ist um die Ecke.«
    Als Rath die Tür öffnete, stand Kirie schon erwartungsvoll da und wedelte mit dem Schwanz.
    »Sie nehmen Ihren Hund mit ins Büro?«, fragte Tornow.
    Rath zuckte die Achseln. »Nur wenn’s nicht anders geht.« Er deutete auf Erika Voss, die am Schreibtisch saß und telefonierte. »Unsere Sekretärin, Fräulein Voss.«
    Erika Voss legte auf und schaute neugierig.
    »Ein neuer

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