Goldstein
Kollege, Erika«, erklärte Rath. »Herr Tornow ist Kommissaranwärter und wird vorerst bei uns arbeiten.«
Die Sekretärin brachte sich in Positur und erwiderte Tornows Lächeln. Der neue Kollege schien ihr zu gefallen.
65
C harly musste sich beherrschen, um nicht in einen Einkaufsrausch zu verfallen. Die Tische voller Waren, die umlaufenden Galerien über vier Stockwerke, das alles krönende riesige Oberlicht – es war schwer, sich diesen Eindrücken zu entziehen. Wertheim am Leipziger Platz, das war ihr Lieblingskaufhaus schonseit Kindestagen, seit sie ihre Mutter hierher begleitet hatte, in diese Kathedrale des Konsums. Diesmal war sie eigentlich nicht zum Einkaufen hier, dennoch ertappte sie sich dabei, wie sie ganz nebenbei ein wenig durch die Sommerangebote schaute, die zum Teil schon preisreduziert waren. Eine neue Bluse konnte sie eigentlich schon gebrauchen ...
»Kann ich der jungen Dame helfen?«
Eine Verkäuferin war auf sie aufmerksam geworden.
»Sie können. Ich suche das Personalbüro.«
Die Verkäuferin musterte sie. »Ich fürchte, wir stellen im Moment niemanden ein.«
»Darum geht es auch nicht. Ich brauche nur ein paar Auskünfte.«
Kurz darauf saß Charly in einem eher kleinen Büro mit Ausblick auf die ehrwürdige Häuserzeile der Voßstraße.
»Alexandra Reinhold, sagen Sie?« Der Mann, der sich als Herr Eick vorgestellt hatte, mit einer Betonung, als sei Herr sein Vorname, stand an einem wandhohen Regal voller Aktenordner, aus dem er einen herausfischte. »Da wollen wir mal sehen.«
Herr Eick war bemüht, einen wichtigen Eindruck zu machen, und gab sich äußerst hilfsbereit. Er schielte kurz auf Charlys Beine, bevor er sich mit dem Ordner an den Schreibtisch setzte und durch die Akten blätterte. »Darf ich fragen, woher Ihr Interesse an Fräulein Reinhold rührt?«, fragte er, scheinbar ohne von der Akte aufzuschauen. Doch blickte er aus dem Augenwinkel immer wieder auf Charly.
»Verwandtschaft«, log sie und schlug ihre Beine übereinander, was Herrn Eick für einen kurzen Moment aus der Fassung brachte. »Ich bin ein paar Tage in Berlin und wollte meine Cousine überraschen. Dachte, ich hole sie einfach von der Arbeit ab.«
»Da haben wir es ja! Feinkostabteilung.« Der Mann schaute triumphierend. Und dann bedauernd. »Sie werden Ihre Cousine nicht abholen können«, sagte er.
»Ach?« Charly stellte sich dumm.
»Wir haben sie leider entlassen müssen. Im Oktober dreißig.«
»Das wusste ich noch gar nicht. Warum? Sie hat sich doch nichts zuschulden kommen lassen?«
Eick schaute in die Akte und schüttelte den Kopf. »Nein, nein,keine Bange. Reine Sparmaßnahme. Wir leben in schweren Zeiten.«
Charly stand auf. »Na, da kann man nichts machen. Vielen Dank für Ihre Mühen, Herr Eick.« Sie reichte ihm die Hand. Er schien es zu bedauern, dass sie sein Büro schon wieder verließ. Bevor er etwas sagen konnte, womöglich eine Einladung zum Abendessen aussprach oder zum Tanz, sah Charly zu, dass sie hinaus auf den Gang kam, hinaus aus dem Verwaltungstrakt und zurück ins Kaufhaus.
In der Feinkostabteilung konnte sie sich dem Drang, etwas einzukaufen, nicht mehr widersetzen. Sie beschloss, ein bisschen Krabbensalat mitzunehmen und eine Flasche Sekt. Sie würde vielleicht einen kleinen Trost gebrauchen können nach dem Gespräch mit Gereon heute Abend. Sie würde hingehen, aber sie war sich nicht sicher, ob sie seine Einladung zum Abendessen auch annehmen sollte. Ob sie nicht besser darauf bestehen sollte, nur ein Glas Wasser zu trinken. Sie hatte Angst vor seinem Bestechungsversuch. Vor seinen Bestechungsversuchen.
Als sie an der Reihe war, ließ sie hundert Gramm abwiegen und fragte die Verkäuferin im adretten weißen Kittel ganz beiläufig: »Eine Alexandra Reinhold soll hier arbeiten. Wissen Sie, wo ich die finden kann?«
Die Frau hinter der Theke stutzte.
»Ich bin ihre Cousine«, schob Charly hinterher.
»Aus Jerichow?«
Charly nickte.
»Mensch! Hat Alex Ihnen ooch nix erzählt! Die arbeitet doch schon lange nicht mehr hier! Fast ein Jahr!«
Charly tat überrascht.
»Ick weeß noch, ihren Vattern hatse ooch nix jesacht damals, keen’ Ton, der stand’n paar Wochen nach ihrer Kündigung hier, jenau wie Sie jetze, un wolltse abholen.«
»Wo kann ich Alexandra denn finden?«
»Habense denn keene Adresse?«
»Leider nein. Die Reinholds müssen umgezogen sein. Da waren Fremde in der Wohnung.«
Die Frau schlug den abgefüllten Krabbensalat vorsichtig in
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