Goldstein
Betriebsmittelkasse von Kempinski bezahlt waren, und das sollte sie ja auch. Der uniformierte Blumenschmuck an den übrigen Tischen fiel deutlich bescheidener aus.
»Von dir?«, fragte sie.
»Der letzte Strauß wurde reklamiert«, entgegnete er. »War wohl etwas zerfleddert. Ich hoffe, der Ersatz gefällt.«
Charly lachte nicht, lächelte nicht einmal. Sie suchte in ihrer Handtasche und holte ihre Juno heraus und eine Streichholzschachtel, legte beides auf den Tisch. Es sah aus, als würde sie die Waffen für ein Duell bereitlegen.
»Wie war dein Tag?«, fragte Rath.
»Durchwachsen.« Sie zündete sich eine Zigarette an und warf das Streichholz in den jungfräulichen Aschenbecher. »Und deiner?«
Rath zuckte die Achseln. »Unsere Observierung ist komplett in die Hose gegangen. Der Mann ist uns entwischt.«
Sie horchte auf. Na, wenigstens mal eine Reaktion! »Dieser Gangster?«, fragte sie.
Rath nickte. »Am Samstag schon. Irgendwer vom Personal hat ihm geholfen.« Er zündete sich ebenfalls eine Zigarette an, obwohl er die letzte Overstolz vor drei Minuten erst ausgedrückt hatte. »Schon weiter mit deiner Alex?«
Charly schüttelte den Kopf und blies den Zigarettenrauch in die Hecke, die die Kempinski-Terrasse vom Ku’damm-Trottoir abgrenzte.
»Tut mir leid wegen neulich«, fuhr Rath fort. »Du musst nicht glauben, dass ich diese Sache nicht ernst nehme. Es ist schon richtig, dass du dieses Mädchen suchst.«
»Verstehst du mich auf einmal, weil du jetzt selbst in Schwierigkeiten steckst?«
»Wie man sich fühlt, wenn man in Schwierigkeiten steckt, das weiß ich nicht erst seit heute.«
Charly nickte. Er hatte sie noch nie so gierig an einer Zigarette saugen sehen, oder war ihm das früher bloß nie aufgefallen?
»Hast du’s noch mal bei diesem Bruder versucht?«, fragte er und gab den erfahrenen Kriminalkommissar. »Da würde ich ansetzen. Oder Wertheim. Davon hat ihr Vater doch erzählt, da hat sie mal gearbeitet.«
»Danke für den Tipp, Herr Kommissar. Lass uns lieber über etwas anderes reden.«
Er zog schnell an seiner Zigarette, bevor ihm ein unbedachtes Wort herausrutschen konnte. Da sollte einer die Frauen verstehen! Letzte Woche machte sie Streit, weil er ihre Sorgen nicht ernst genug nahm, und jetzt konnte sie das Thema nicht schnell genug abwürgen! Keine zwei Minuten saß sie hier, und Rath musste sich schon wieder zusammenreißen.
»Ich habe einen neuen Kollegen«, versuchte er einen neuen Anlauf. Dass auch der zum Rohrkrepierer wurde, dafür sorgte diesmal der Kellner, der mit der Getränkekarte erschien. Rath bestellte einen Gewürztraminer, Charly Selters.
»Danke für die Einladung«, sagte sie.
»Du kannst ruhig etwas Edleres bestellen«, sagte er. »Ich habe genug Geld eingesteckt. Oder hast du Angst, dass ich dich betrunken machen möchte?«
Charly ging nicht auf seinen müden Scherz ein; sie machte den Eindruck, als habe sie seine Worte überhaupt nicht gehört. Rath trommelte leise mit den Fingern auf der Tischdecke; er merkte, dass er ungeduldig wurde. Dann eben keine Witze mehr, keine missglückten, keine geglückten. Nicht einmal der Versuch, ein bisschen witzig und locker zu sein. Wenn sie es so wollte!
»Du meinst, wir sollten reden«, sagte er. »Also reden wir.«
»Reden wir«, sagte Charly. »Aber vielleicht ein bisschen weniger um den heißen Brei herum. Wirst du dich bei Guido entschuldigen?«
Sollte es heute Abend nur um den blöden Grinsemann gehen? »Ja, verdammt noch mal«, sagte er, lauter, als er eigentlich wollte. »Das habe ich dir doch schon am Telefon versprochen. Ist das alles, was du bereden wolltest?« Er erschrak selbst ein wenig über seine Lautstärke. Sie machte es einem aber auch nicht leicht, sich zusammenzureißen.
Charly drückte ihre Zigarette aus. Mit der Rechten fingerte sie in der Schachtel herum, hätte beinahe die nächste herausgezogen, dann schien ihr aufzufallen, was sie da tat, und sie schob die Juno beiseite. Jetzt erst merkte Rath, erst in diesem Augenblick, dass ihre Unterkühltheit nur eine Maske war. Charly war nervös, nervöser noch als er. Er war sich nur nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen war oder ein schlechtes.
»Entschuldige«, sagte er. »Ich weiß, dass ich da Mist gemacht habe, vielleicht reagiere ich deswegen so gereizt. Wird nicht wieder vorkommen.«
Jetzt nahm Charly doch die nächste Juno aus der Schachtel. Rath zog an seiner Overstolz. Dann rauchen wir eben um die Wette, dachte er. Mittlerweile war ihm
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