Goldstein
möglich behandelt haben.«
»Das können Sie laut sagen!« Der Polizeipräsident nickte energisch. »So diskret, dass nicht einmal ich davon wusste.«
Gennat zuckte die Achseln. »Jetzt wissen Sie’s ja.«
Lange meldete sich zu Wort. Der Kriminalassistent hob die Hand, als säße er in der Schule.
»Man nicht so förmlich«, raunzte Grzesinski. »In meinem Dienstzimmer kann jeder reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.«
Lange wurde prompt rot. »Wir gehen davon aus«, sagte er, »dass die Schmiererei von der Komplizin des toten Einbrechers stammt.« Er räusperte sich. »Sie hat den Todessturz höchstwahrscheinlich beobachtet. Wir haben da einen anonymen Anruf erhalten.«
»Und Sie meinen, die Komplizin könnte Ihnen weiterhelfen. Eine jugendliche Kaufhauseinbrecherin – ist ja nicht gerade eine Zeugin mit dem besten Leumund.«
»Ich fürchte, es ist die einzige Zeugin, die wir haben«, sagte Lange, der seine Röte inzwischen besiegt hatte.
»Na, dann sehen Sie mal zu, dass Sie diese Komplizin so schnell wie möglich einfangen.«
»Jawohl, Herr Polizeipräsident.«
»Wer weiß von dieser Geschichte?« Die Frage war eindeutig wieder an den Inspektionsleiter gerichtet.
»Bislang nur der Kollege Lange, der mit seinem Verdacht gleich zu mir gekommen ist, Gerichtsmediziner Doktor Schwartz und ich«, sagte Gennat. »Wie gesagt: Ich habe den Kreis der Mitwisser bewusst klein gehalten.«
Grzesinski nickte. »Gut so, aber jetzt, mit dem hier ...«, sagte er und zeigte auf die Fotos auf seinem Schreibtisch, »... fürchte ich, wird die Sache größer, als uns lieb ist. Man müsste sofort jemanden rausschicken, der die Presse beruhigt.«
»Mit Verlaub, Herr Polizeipräsident, ich glaube, das wäre ein Fehler«, sagte Gennat. »Damit wecken wir nur schlafende Hunde.« Der Kriminalrat sagte das so ruhig wie immer.
»Und was sollen wir tun, Ihrer Meinung nach?«
»Nichts«, sagte Gennat, »am besten, wir tun gar nichts. Die Sache erledigt sich von selbst. Wenn die Presse die Geschichte von den kommunistischen Schmierereien glaubt, dann wird es auch keine Unruhe geben. Wenn wir aber etwas dementieren, was denen noch gar nicht in den Sinn gekommen ist, dann kann es heikel werden.«
Der Polizeipräsident nickte. »Sie haben recht«, sagte er. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Karl Zörgiebel war Albert Grzesinski in der Lage, Fehleinschätzungen zuzugeben, auch gegenüber seinen Mitarbeitern. »Was machen wir mit diesem Hauptwachtmeister?«, fuhr er fort. »Wenn wir den in Untersuchungshaft stecken, wäre das ein gefundenes Fressen für die Presse. Selbst wenn wir nichts über unseren Verdacht nach außen dringen lassen – ein Polizist in U-Haft gäbe den Journalisten mehr als genügend Anlass für weitere Recherchen.«
Gennat nickte. »So sehe ich das auch. Außerdem würde solchein Schritt im Kollegenkreis für Unruhe sorgen. Ganz davon abgesehen, dass die wenigen Beweismittel, die wir bislang haben, dem Haftrichter womöglich nicht reichen werden.«
»Aber Sie sehen doch auch, dass ich einen Beamten, der sich einem solch ungeheuren Verdacht ausgesetzt sieht, nicht weiter seinen Dienst versehen lassen kann, als wäre nichts geschehen.«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Herr Polizeipräsident.«
»Ich werde diesen Hauptwachtmeister vom Dienst suspendieren.« Grzesinski machte ein entschlossenes Gesicht. »Unverzüglich. Mit sofortiger Wirkung.«
»Das ist wahrscheinlich das Beste«, sagte Gennat. »Man müsste allerdings eine plausible Begründung für diesen Schritt haben.«
»Die gibt es.« Grzesinski formulierte: »Wegen des immensen Drucks, dem sich Hauptwachtmeister Kuschke wegen der tragischen Ereignisse am KaDeWe zur Zeit ausgesetzt sieht, wird er vorübergehend dienstfrei gestellt. Um seine und die Arbeit seiner Kollegen nicht zu erschweren.«
»Da ist noch eine andere Sache«, sagte Lange und holte einen braunen Umschlag aus seinem Jackett, den er auf Grzesinskis Schreibtisch legte. »Auch darum sollten wir uns kümmern, bevor die Presse davon Wind bekommt. Und vielleicht doch noch Zusammenhänge herstellt, die uns nicht lieb sein können.«
Der Polizeipräsident öffnete das Kuvert. »Was ist das?«
»Ich bin heute Morgen, nachdem ich die Aufnahmen am Wittenbergplatz gemacht habe, noch zu Kuschkes Wohnhaus gefahren. Liegt ganz in der Nähe, in Schöneberg.«
Grzesinski hielt den Briefumschlag mit der Öffnung nach unten, und ein halbes Dutzend Fotos segelte auf seinen Tisch.
»Kuschke hat
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