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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Haupteingang des Vieh- und Schlachthofs an, sondern ließ das Pförtnerhaus links liegen und marschierte weiter die Eldenaer Straße hinunter, immer weiter die endlose Backsteinmauer entlang. Charly hielt sich auf der anderen Straßenseite in einiger Entfernung. Der Junge folgte dem Verlauf der Mauer, bis er irgendwann abrupt stehen blieb, so unvermittelt, dass Charly es gerade eben noch schaffte, in eine Toreinfahrt zu springen. Als sie sich wieder vorwagte und vorsichtig aus der Einfahrt lugte, war der Junge mit der Ledertasche verschwunden. Charly schaute vorsichtig, ob Rambow nicht doch noch irgendwo stand, dann verließ sie ihr Versteck und überquerte die Straße.
    Sie untersuchte das Mauerwerk unauffällig, bis sie die Stelle entdeckte: Auf halber Höhe war ein Backstein herausgebrochen; eignete sich hervorragend als Tritthilfe. Charly blickte sich um, und erst als sie sicher war, dass niemand hinschaute, zog sie sich hoch und schwang über die Mauer, ließ sich auf der anderen Seite gleich wieder hinunter, um nicht länger als nötig oben auf der Mauerkronezu hocken und womöglich aufzufallen. Sie stand in der Gasse zwischen zwei Backsteingebäuden. Der Geruch hier war nicht sehr angenehm, eine Mischung aus Blut und Gülle und anderen Dingen, von denen sie erst gar nicht wissen wollte, was es war.
    Von Rambow nichts zu sehen. Charly lief zum Ende der Gasse und schaute um die Ecke. Nichts. Keine Menschenseele. Der Junge mit der Ledertasche war verschwunden.
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    W äre Pfirsich allein gewesen, hätte sie es geschafft, vielleicht sogar, wenn nur er und Kralle aufgetaucht wären. Mit zweien hätte sie es möglicherweise aufnehmen können, doch sie waren zu fünft. Kralle, der Feigling, hatte seinen Jungs den Vortritt gelassen, einen hatte sie noch mit dem Eisen erwischt, wenn auch nicht so gut wie Pfirsich, dann aber hatte Theo, der Stärkste von ihnen, einen Treffer bei ihr gelandet. Alex war zu Boden gegangen, hielt ihre Waffe fest umklammert, aber Theo und die anderen waren sofort über ihr. Theo hatte sich auf ihre Oberarme gekniet, während die anderen beiden ihr das Schabeisen aus der Hand drehten. Und dann ihre strampelnden und um sich tretenden Beine fest auf den Boden drückten, bis sie sich fühlte wie gelähmt, vollkommen wehrlos.
    Nur spucken konnte sie noch, und das tat sie auch. Dumme Idee. Theo scheuerte ihr eine, so fest, dass sie fühlte, wie ihre Lippe zu bluten begann und anschwoll.
    Verdammt, Vicky, dachte sie, als sie das Blut schmeckte, du solltest doch aufpassen, dass dir niemand folgt! Was hast du gemacht, Mädchen?
    Das grinsende Gesicht von Kralle erschien über ihr. Er sah aus wie ein weißer Großwildjäger, der die Beute betrachtete, die fleißige Eingeborene für ihn in die Enge getrieben hatten.
    »Lasst mich los, ihr feigen Ratten!«, sagte Alex und bäumte sich noch einmal auf. Vergeblich. Die drei hatten sie fest im Griff.
    »Mensch, da haben wir ja ein richtiges Wildpferd«, meinte Kralle. »Würde mal sagen, das muss dringend eingeritten werden.«
    Alex hatte es aufgegeben sich aufzubäumen, sie verlegte sich aufs Sprechen.
    »Verdammt, was wollt ihr von mir?«
    Kralle zog sein Messer. »Du weißt doch, wo wir hier sind, mein Pferdchen«, sagte er. »Auf dem Schlachthof. Und da wird geschlachtet.«
    Mit dem letzten Wort ließ er die Klinge aufspringen, und die drei Jungs lachten ein dumpfes, schadenfrohes Lachen. Alex hatte immer gedacht, sich mit ihrem Messer bei Kralle damals Respekt verschafft zu haben. Vielleicht hatte sie das ja auch, vielleicht hatte er deshalb gleich vier seiner Jungs mitbringen müssen. Und er war immer noch auf Rache aus. Dass er sie wirklich töten würde, das glaubte sie nicht, er wollte ihr Angst einjagen. Und, verdammt noch mal, das schaffte er auch. Er konnte mit dem Messer eine ganze Menge anrichten, ohne sie zu töten. Schlimme Dinge. Alex versuchte, ihre Angst mit der Wut zu vertreiben, die sie immer stärker spürte, Wut auf die ganze Bande, die ihr und Benny das Leben schwer gemacht hatten vom ersten Augenblick an, seit sie in der alten Achsenfabrik Zuflucht gesucht hatten.
    »Aber bevor es zur Schlachtbank geht«, meinte Kralle und steckte sein Messer wieder ein, »wird unser kleines Pferdchen eingeritten.« Wieder lachten seine Jungs. Bis auf Pfirsich, der sich gerade stöhnend wieder unter den Lebenden meldete und seinen blutenden Kiefer hielt. »Erst einmal werde ich dich ficken«, fuhr Kralle fort und begann, an seinem Hosenschlitz zu

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