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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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nicht, sie spürte seine Stöße, hörte sein Keuchen, spürte ihre Wut, die wuchs und wuchs, genau wie das Gefühl ihrer Ohnmacht. Die Verzweiflung wollte ihr Tränen in die Augen treiben, doch Alex ließ es nicht zu, nein, diese Kerle würden sie nicht heulen sehen! Lass das hier bald vorbei sein, lieber Gott, betete sie, wenn es dich wirklich geben sollte, verdammt noch mal, dann lass mich lebend hier herauskommen, damit ich es diesen dreckigen Schweinen heimzahlen kann.
    Als habe er ihr Gebet gehört, hielt Kralle plötzlich inne, zugleich spürte Alex, wie auch der Griff der anderen etwas nachließ, so als seien sie von irgendetwas abgelenkt.
    »Was willst’n du hier, Kumpel? Hast dich wohl in der Tür geirrt!«
    Kralles Stimme. Alex spürte, wie er seinen Schwanz rauszog.
    »Es ist besser, ihr geht jetzt«, sagte eine Stimme, die Alex bekannt vorkam.
    Kralle und seine Jungs quittierten die Drohung mit Gelächter.
    »Ich glaub’s nicht«, sagte Kralle, »was bist du denn für einer? Haste im Kraftwerk geschlafen? Oder haben die Bullen den Schuppen hier umstellt?«
    »Wer weiß das schon«, sagte die Stimme, und jetzt wusste Alex, wer da aufgekreuzt war. Viel früher als verabredet, aber deswegen war sie ihm überhaupt nicht böse. Sie öffnete die Augen und hob ihren Kopf. Da stand Erich Rambow in der Tür, seine Ledertasche über die Schulter geworfen und eine unerschütterliche Miene aufgesetzt, als sei es überhaupt kein Problem für ihn, es mit fünf Jungen aufzunehmen, von denen einer gerade ein Messer aus der Tasche zog und die anderen aussahen, als besäße jeder von ihnen mindestens einen Schlagring. Erich warf ihr einen kurzen Blick zu, der so viel sagte wie: Keine Angst! Ich habe hier alles unter Kontrolle.
    »Hör mal zu, Junge«, sagte Kralle jetzt und ließ sein Messer aufschnappen. »Ich weiß nicht, ob du weißt, was das hier ist? Aber das sagt dir, dass du besser die Platte putzt und uns in Ruhe lässt.«
    »Ich lasse euch in Ruhe, wenn ihr das Mädchen in Ruhe lasst.«
    »Und warum sollten wir das tun?«
    »Verschwindet, und euch passiert nichts.«
    Dafür erntete er wieder ein Lachen.
    »Und wenn wir bleiben wollen?«, fragte Kralle. »Was willst du dann tun? Du bist doch nicht einmal bewaffnet.«
    »Wer sagt denn das?« Erich öffnete seine Tasche und holte ein Hackebeil heraus, eines seiner Werkzeuge aus der Fleischerei.
    »Was soll das denn sein?« Kralle hatte einen Schritt auf ihn zugemacht. »Sieht nicht gerade scharf aus.«
    »Muss es auch nicht sein«, sagte Erich. »Kommt vor allem darauf an, wie fest man zuschlägt. Und wie schnell.«
    Noch während er sprach, ganz ruhig und mit unbeweglichemGesicht, hatte er das Beil mit einer blitzschnellen Bewegung an Kralles Bauch vorbeigezogen, so unvermittelt, dass der überhaupt nicht reagieren konnte. Kralle starrte auf das Beil, dessen Schneide nun blutig rot glänzte, starrte auf seinen Bauch, aus dem es glitschig quoll, und auf seinen Schwanz, aus dem mittlerweile auch der letzte Rest Blut gewichen war. Dann ließ er das Messer fallen, weil er beide Hände brauchte, um seine Gedärme daran zu hindern, aus der aufgeplatzten Bauchdecke zu quellen.
    Erich Rambow stand da mit dem blutigen Beil, ungerührt.
    »Und?«, fragte er in die Runde. »Wer will der Nächste sein?«
    76
    C harly hatte keine Ahnung, wo Rambow geblieben war. In diesem heruntergekommenen Backsteinbau gleich da vorne? Vielleicht war er aber auch in der anderen Richtung irgendwo auf dem Gelände verschwunden. Und das war riesig, eine eigene kleine Stadt, nur zu dem einen Zweck errichtet, Tiere vom Leben in den Tod zu befördern, damit Berlin nicht hungerte.
    Sie überlegte, wie lange sie noch warten sollte. Oder ob es besser wäre, von der nächsten Telefonzelle aus Andreas Lange anzurufen und das Schlachthofgelände von einem Großaufgebot Polizei durchkämmen zu lassen. Das Einfachste wäre es in jedem Fall. Dann aber, das spürte sie, wäre sie sich Alex gegenüber wie eine Verräterin vorgekommen. Obwohl sie dem Mädchen nichts versprochen hatte, überhaupt nichts.
    Plötzlich flog die rostige Eisentür des Backsteingebäudes auf, und vier Jungen stürzten heraus, mit bleichen Gesichtern und Panik in den Augen. Einer hielt sich die blutige Wange. Ohne Charly wirklich wahrzunehmen, rannten sie an ihr vorüber, als sei sonst wer hinter ihnen her.
    Sie schaute den vieren einen kurzen Moment nach, dann auf die Eisentür, die immer noch leise in den Angeln quietschte. Charly

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