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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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sich die Verletzung zugezogen?«
    »Hab sie aufgespürt in ihrem Versteck. So’n runtergekommener Schuppen auf dem Schlachthofgelände. Da hat sie mich aufgeschlitzt. Ohne Vorwarnung, einfach so.«
    »Nur weil Sie ihr Versteck gefunden haben? Sonst ist nichts vorgefallen?«
    »Was soll denn vorgefallen sein, Meister?«
    »Das frage ich Sie.«
    »Nichts.« Krahl guckte so unschuldig wie ein angefahrenes Reh. »Hat mich da liegen lassen in meinem Blut und ist abgehauen.«
    »Wissen Sie auch wohin?«
    Der Junge im Bett zuckte die Achseln. »In der leerstehenden Achsenfabrik hat sie mal gewohnt, in der Roederstraße, aber da ist sie längst raus.« Er machte ein Gesicht, als denke er nach, etwas, das zu diesem Jungen nicht eigentlich passen wollte. »Aber«, sagte er, »da ist irgendeine aus der Jugendfürsorge oder vom Gericht oder so, die hilft ihr. Der sollten Sie mal auf den Zahn fühlen. Die Fürsorge sollte doch schließlich keine Verbrecher decken, oder?«
    Lange nickte. Er konnte sich vorstellen, wie diese vermeintliche Jugendamtsmitarbeiterin aussah. Und er wollte ihr tatsächlich mal auf den Zahn fühlen.
    83
    N un saß sie also wieder hier. Und hatte doch noch ein zweites Frühstück bestellt, eine Schrippe mit Käse, aus reiner Langeweile – bei Tietz hätte sie das billiger haben können, da hätte Lange die Chose bezahlt. Über eine Stunde saß sie nun schon hier, die dritte Tasse Tee und die vierte Zeitung vor sich, und starrte auf die regennasse Hausfassade. Die Schrift war immer noch zu sehen, blass und dünn, obwohl Kuschke sich gestern alle Mühe gegeben hatte, sie wegzuwischen, und auch der Regen seinen Teil dazu beigetragen hatte, aber mit ein bisschen gutem Willen konnte man es noch lesen. RACHE FÜR BENNY S.! Schweineblut, wie Alex erzählt hatte. Wie passend. Da würde wohl nur ein neuer Anstrich helfen. Oder drei Wochen Dauerregen. Wir wollen’s mal nicht beschwören, dachte Charly. Eben erst hatte der Regen aufgehört. Was für ein Sommer! Zu Kaisers Zeiten hatte die Sonne öfter geschienen. Oder bildete sie sich das nur ein? Als der Kaiser abgedankt hatte, war sie gerade mal elf gewesen, vielleicht erinnerte man sich da nur an die Sonnentage.
    Da draußen jedenfalls war heute alles grau in grau. Und Kuschke hatte sich noch nicht blicken lassen. Warum sollte er auch raus bei dem Wetter, wenn er nicht musste? Nutzte die Beurlaubung wohl, um mal richtig auszuschlafen. Ob er überhaupt schon Zeitung gelesen hatte? Vielleicht war er ja wenigstens zum Schrippenholen heute früh mal vor die Tür gegangen und hatte sich bei der Gelegenheit eine besorgt.
    Aber ob ihn das in Panik versetzen würde? Eine Polizeimeldung, in der ein Zeuge gesucht wurde? Lange spekulierte darauf, dass auch Kuschke herauszufinden versuchen würde, um welchen Zeugen es sich da handelte. Und auf diese Weise könnte man dann ein paar weitere Indizien gegen den Mann sammeln. So ähnlich hatte er es ihr jedenfalls erklärt. So weit die Theorie. In der Praxis passierte: nichts.
    Der Aufruf der Kripo war vorsichtig formuliert. Nichts wies darauf hin, dass ein Polizist des Mordes verdächtigt wurde; es war lediglich von einem wichtigen Zeugen die Rede, der den tödlichen Zwischenfall am Kaufhaus des Westens beobachtet haben könnte und von einem anderen Zeugen beschrieben worden war. Und daneben dann die Zeichnung, die fast alle Zeitungen ebenfalls abgedruckt hatten. Leider wirklich ein Allerweltsgesicht. Ob Lange mit seinem Misstrauen recht hatte? Gab es diesen Zeugen womöglich gar nicht? Führte Alex sie alle an der Nase herum?
    Charly war sich nicht sicher, was sie von dem Mädchen halten sollte. Einerseits vertraute sie ihr, auf der anderen Seite spürte sie das tiefe Misstrauen, das Alex ihr gegenüber immer noch hegte, viel mehr als Vicky, die Charly für eine mütterliche Freundin zu halten schien.
    Die Bayard hatte Charly gestern, bevor sie zu Bett ging,entschärft, hatte das Magazin herausgenommen und die Patrone, die noch im Lauf war, und hatte die kalte Pistole unter ihr Kopfkissen gelegt, so weit gingen ihre Vorsichtsmaßnahmen dann doch. Übertriebene Vorsichtsmaßnahmen, wie sich am nächsten Morgen zeigen sollte. Die Patronen waren nicht angerührt worden, die beiden Mädchen hatten sogar schon Frühstück gemacht, als Charly aufgewacht war. »Kleines Dankeschön«, hatte Vicky gesagt und schüchtern gelächelt. »Für alles.«
    Alex hatte erst mal gar nichts gesagt, sondern Kaffee eingeschenkt, einen ziemlich

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