Goldstein
ausgestorben wie gestern Nacht. Nur aus einem Zimmer hörte Rath Schreibmaschinengeklapper, eine einsame Sekretärin bei der Arbeit. Hinter der Tür zum Büro von Oberkommissar Krüger, in dem auch Lanke arbeitete, war es still. Wenn er Pech hätte, hockte der Kriminalsekretär gerade in der Kantine, mit etwas Glück aber könnte er dem passionierten Pornobildchenbetrachter einen Riesenschrecken einjagen. Vorsichtig ergriff er die Klinke, holte tief Luft und riss die Tür dann mit einem Ruck auf, so schwungvoll wie möglich.
»Mahlzeit!«, brüllte er in den Raum, beinahe so preußisch forsch, wie Kriminalrat Werner Lanke das konnte.
Rath hatte Glück.
Gregor Lanke zuckte zusammen, diesmal hatte er keine Zeit mehr, die Fotos vom Schreibtisch zu fegen; er starrte den Störenfried an, mit rotem Gesicht, als sei ihm gerade das Herz stehen geblieben. Aber es war ein anderes Körperteil, das gerade stand, an der Ausbeulung in der Hose gut zu erkennen.
»Sind Sie wahnsinnig geworden, einen so zu erschrecken?«, maulte Lanke junior, als er die Sprache wiedergefunden hatte. Seine Erektion schrumpfte in Rekordzeit zusammen.
»Was schauen Sie sich denn da Schönes an?« Rath beugte sich über den Schreibtisch, um die Fotos besser sehen zu können. Das Bild ganz oben zeigte den Alten Fritz beim Oralverkehr; Rath nahm es an sich, bevor Lanke reagieren konnte. »Die sind doch schon über zwei Jahre alt. Arbeitet ihr etwa immer noch an dem Fall?«
»Ich ... wir«, stotterte Lanke.
»Ich will ja nicht angeben, aber da waren wir seinerzeit doch schneller in unseren Ermittlungen.«
»Verdammt, was fällt Ihnen ein«, schimpfte Lanke, der sich offensichtlich entschlossen hatte, zum Gegenangriff überzugehen.
»Wenn ich Sie da so sehe, wie Sie sich an pornografischen Fotografien aufgeilen, fällt mir, ehrlich gesagt, gar nichts mehr ein. Sie sind preußischer Kriminalbeamter, Mann, haben Sie denn gar kein Ehrgefühl.«
»Das geht Sie einen feuchten Kehricht an! Was wollen Sie von mir?«
Rath warf eines der Fotos auf den Tisch, die er gestern Nacht in Lankes Schreibtisch gefunden hatte: eine gut gebaute Frau, nackt und auf allen vieren, hinter ihr ein Mann, der sich redlich abmühte. Eine Hand hatte er auf ihrer Pobacke liegen, in der anderen aber hielt er eine moderne Kleinbildkamera, vielleicht ein Geschenk von Onkel Werner. In den Türen des Spiegelschranks war nicht nur das eher gelangweilte Gesicht von Marion Bosetzky gut zu erkennen, sondern auch das des Fotografen.
Gregor Lanke starrte auf sein Konterfei.
»Ich nehme mal nicht an, dass das Ihre neuen Passbilder sind«, sagte Rath.
Zum zweiten Mal an diesem Tag brauchte es etwas, bis der Kriminalsekretär die Sprache wiedergefunden hatte.
»Woher haben Sie das?«, schnappte er, »Sie haben ...«
Rath unterbrach ihn. »Es geht nicht darum, was ich habe«, sagte er, »es geht darum, was Sie haben. Sie haben es mit einer Prostituierten getrieben, die zugleich auf der Lohnliste der Inspektion E steht. Unzucht mit Abhängigen könnte man das nennen. Es ist aber auch gleich, ob hier ein Straftatbestand erfüllt ist, und wie der auch immer heißen mag. Es reicht, denke ich, wenn die Presse erfährt, welche Dienstauffassung der Neffe des Inspektionsleiters der Sittenpolizei an den Tag legt, vor allem, was den Umgang mit Prostituierten betrifft. Solche Feldstudien waren zu meiner Zeit bei der Sitte jedenfalls unüblich.« Rath machte eine Pause und genoss das schreckstarre Gesicht von Gregor Lanke. »Also, so wie ich Ihren Onkel kennengelernt habe, möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken, wenn davon etwas an die Öffentlichkeit dringt.«
»Was wollen Sie?« Das Vokabular von Gregor Lanke schien sich heute auf wenige Fragen zu reduzieren.
»Ich denke, das ahnen Sie schon.« Raths Stimme troff immer noch vor Liebenswürdigkeit. »Ich möchte mehr wissen über die junge Dame, die Sie offensichtlich so lieb haben, dass Sie sich dabei immer wieder fotografieren mussten. Ich nehme an, Sie haben ein eigenes Labor zuhause, oder wer entwickelt Ihnen solche Schweinereien?«
Lanke sagte nichts.
»Wo finde ich Marion Bosetzky?«, fragte Rath, so scharf, dass Lanke zusammenzuckte.
»Ich weiß nicht, wo sie ist! Seit dem Wochenende ist sie wie vom Erdboden verschluckt.«
»Wie ist sie in dieses Hotel gekommen?«
»Na, wie wohl? Sie hat sich beworben, ganz einfach. Oder sind Sie einer von denen, die glauben: einmal Nutte, immer Nutte?«
»Sie helfen einem gefallenen Mädchen bei
Weitere Kostenlose Bücher