Goldstein
war nebenan Kaffee kochen.«
»Kaffee kochen?«
»Der Herr Polizist war so nett, ich dachte, der trinkt vielleicht ein Tässchen mit. Hatte aber leider keine Zeit.«
»Sie haben ihn in die Wohnung gelassen, einfach so?!«
»Das war doch ein Polizist. Nicht irgendwer. Ich lasse bestimmt nicht jeden in die Wohnung!« Sie klang ehrlich empört.
»Natürlich.« Lange blieb friedlich. »Bleibt festzuhalten, dass Sie nicht genau wissen, was dieser Polizist hier in der Wohnung gemacht hat.«
»Auf jeden Fall hat er Kuschkes Koffer geholt, das hab ich gesehen. Hat bei mir an der Küche geklopft und sich verabschiedet, da hatte er ihn unterm Arm. Und bedankt hat er sich auch.«
»Wissen Sie, was in dem Koffer war?«
»Na, was nimmt man wohl mit auf eine Reise? Ein paar Hemden und Hosen, Unterwäsche, Socken, Zahnbürste. Und so weiter.«
»Das wissen Sie so genau?«
»Das weiß ich nicht, das denke ich mir.«
»Sie haben doch sauber gemacht hier, oder?«
Sie nickte. »Und das Bett frisch bezogen. Wo ich doch dachte, er ist in Urlaub.« Erst jetzt schien ihr wieder einzufallen, dass ihr Mieter tot war. Sie schwieg betroffen.
»Ist Ihnen dabei nichts aufgefallen. Was ist zum Beispiel mit Kuschkes Zahnbürste?«
»Jetzt, wo Sie es sagen.« Die Zimmerwirtin stutzte. »Die Zahnbürste steht noch im Glas.«
»Kann es sein, dass dieser Polizist gar nicht hier war, um den Koffer zu holen, kann es sein, dass er etwas gesucht hat?«
»Was soll er denn gesucht haben?«
»Das frage ich Sie. Vielleicht hat Herr Kuschke mal darüber gesprochen.«
Elfriede Stock schüttelte den Kopf. Dabei presste sie die Lippen zusammen. Sie log, sie hielt mit irgendetwas hinterm Berg, das konnte sie nicht verbergen.
»Fräulein Stock«, mischte sich Charly jetzt ein, »gibt es hier irgendwo in der Wohnung ein Versteck, von dem Sie wissen?«
Die Zimmerwirtin schüttelte energisch den Kopf. »Nein, nein! Er hat hier nichts versteckt.« Sie lächelte verschmitzt und warfLange einen Blick zu. »Er hat mich gebeten, etwas für ihn aufzubewahren. Kurz nachdem er eingezogen ist.«
Lange und Charly schauten sich an.
»Ich weiß aber gar nicht, ob ich Ihnen das geben kann«, fuhr Elfriede Stock fort, »er hat mich ausdrücklich gebeten, es niemandem zu geben, vor allem keinem Polizisten.«
»Es ehrt Sie, dass Sie Ihr Versprechen so ernst nehmen«, sagte Lange, »aber ich denke, die veränderten Umstände befreien Sie von Ihrer Pflicht. Hauptwachtmeister Kuschke ist tot, und wir ermitteln in einem Mordfall. Wie ich glaube, hätte auch er gewollt, dass Sie uns die Dinge geben, die er Ihnen anvertraut hat. Damit wir seinen Mörder finden.«
Charly staunte, wie geduldig Lange mit der älteren Dame sprach. Und seine Geduld hatte Erfolg.
Elfriede Stock nickte.
»Es ist eine Kassette«, sagte sie. »Alle paar Wochen mal hat er nach ihr verlangt, und sie mir dann wieder zurückgegeben. Bei Ihnen ist es doch in Sicherheit, Fräulein Stock, hat er immer gesagt.« Ein kurzes trockenes Schniefen sollte wohl ihre Trauer ausdrücken. Sie zückte ein blütenweißes Taschentuch und tupfte damit in ihrem Gesicht herum.
»Was ist denn drin in dieser Kassette?«
Die Zimmerwirtin zuckte die Achseln. »Muss ich holen, soll ich?«, sagte sie, und Charly sah es ihrer Neugierde an, dass sie es tatsächlich nicht wusste.
»Wir bitten darum«, sagte Lange, dessen Stimme mittlerweile doch einen leicht gereizten Unterton hatte, und Elfriede Stock verschwand. Lange sagte nichts, doch Charly ahnte, woran er dachte. Die Zimmerwirtin kehrte zurück, ein wenig außer Atem, mit einer hölzernen Schatulle, die fast aussah wie eine kleine Schatztruhe, und stellte sie auf den Esstisch.
»Hier«, sagte sie, »das ist es.«
Das Kästchen war abgeschlossen.
»Sie wissen nicht zufällig, wo der Schlüssel ist?«
»Den hatte Herr Kuschke immer dabei, glaube ich.«
»Gut.« Lange nickte. »Dieser Gegenstand ist konfisziert. Ich stelle Ihnen gerne eine Quittung aus, dann nehmen wir ihn mit.«
»Wollen Sie es denn nicht hier öffnen?«, fragte die Zimmerwirtin. Die Enttäuschung war ihr ebenso anzusehen wie die Neugierde.
»Aber«, sagte Lange in einem Tonfall höchsten Bedauerns, »dann müsste ich die Kassette ja aufbrechen. Das können Sie von einem preußischen Beamten nicht verlangen.«
91
D er Mann schüttelte den Kopf, eher gelangweilt als energisch.
»Den hab ich noch nie gesehen«, sagte er, bevor er sich wieder seinem Kreuzworträtsel zuwandte.
Mindestens ein
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