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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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ist aber eine Begrüßung!«
    »Ich habe noch einen Kollegen mitgenommen.« Er zeigte auf Tornow. »Darf ich vorstellen: Sebastian Tornow, Kommissaranwärter, ich hab dir doch schon von ihm erzählt.« Tornow streckte die Hand aus und lächelte sein einnehmendes Lächeln. »Und das hier«, fuhr Rath fort, »ist Charlotte Ritter, angehende Juristin ...«
    Er stockte, als er Charlys Gesicht sah. Sie hatte zwar die Hand ausgestreckt und schüttelte Tornows Rechte, doch ihr Lächeln war wie eingefroren, als sei es nur noch versehentlich in diesem Gesicht, als sei eigentlich ein gänzlich anderer Gesichtsausdruck angebracht und Charly nur nicht in der Lage, den passenden zu finden.
    »Angenehm«, sagte Tornow und stutzte jetzt auch.
    Charly sagte keinen Ton.
    »Tja«, sagte Tornow, »war nett, Sie kennenzulernen. Aber ich muss leider weiter.« Er ließ Charlys Hand los. »Gereon.«
    Mit einem Tippen an die Hutkrempe entfernte sich der Kommissaranwärter, nicht ohne noch einen unauffälligen irritierten Blick zurückzuwerfen. Rath konnte es ihm nicht verdenken.
    »Was ist denn los mit dir?«, fragte er, nicht sehr freundlich.
    Sie schaute ihn an, immer noch völlig fassungslos.
    »Wer war das?«, fragte sie.
    »Aber das habe ich dir doch gesagt. Mein neuer Kollege. Vielleicht sogar ein neuer Freund. Ein netter Kerl jedenfalls. Sebastian Tornow.«
    »Ich glaube, ich habe ihn schon einmal gesehen.«
    »Er ist doch erst seit einer Woche in der Burg.«
    »Nicht im Präsidium.« Sie schaute ihn an, dass es ihm durch und durch ging. Er kannte nur einen Menschen auf der Welt, der so gucken konnte. »Gereon«, sagte sie, »ich muss mit dir reden. Ich muss dir etwas beichten.«
    Eigentlich hatten sie zusammen ins Grüne fahren wollen, solange die Sonne das noch hergab, nun begnügten sie sich mit einem Spaziergang über die Corneliusbrücke in den nahen Tiergarten. Der Hund brauchte Auslauf, und Rath lauschte Charlys Geschichte. Er konnte kaum glauben, was sie ihm da erzählte. Langsam schlenderten sie Richtung Norden, und Charly schilderte ihm, wie sie die Woche verbracht hatte, dass sie seit Montag in einem inoffiziellen verdeckten Einsatz für Gennat unterwegs war, dass sie in dessen Auftrag Alex aufgetrieben und einen mordverdächtigen Schupo beobachtet hätte und dass dieser Schupo ermordet worden sei. Rath kannte den Fall aus der Donnerstagsbesprechung, der Fall, um den sich Böhm jetzt kümmerte.
    »Und du hast diesen Mord beobachtet?«, fragte er.
    »Nicht direkt. Ich bin ihm gefolgt, und ... ach, verdammt! Ich zeig’s dir am besten vor Ort. Wir sind gleich da.«
    Sie standen an der Charlottenburger Chaussee, die den Tiergarten teilte, eine breite Schneise, die gar nicht so einfach zu überqueren war. Kurz darauf hatten sie eine Kirche erreicht, hinter der eines der besseren Wohngebiete von Berlin begann, nette Häuser, alle mit kleinen Vorgärten, sauber und gepflegt, im Hansaviertel bröckelte nirgends der Putz oder die Stukkatur von der Fassade.
    Charly zeigte auf eine Litfaßsäule. »Da habe ich mich versteckt«, sagte sie. »Wir sind da die Lessingstraße hinuntergekommen, ich hab natürlich Abstand gehalten. Und als ich hier um die Ecke kam, stand er da an der Laterne und rührte sich nicht.« Sie zeigte auf eine Gaslaterne, vielleicht sechs, sieben Meter von der Litfaßsäule entfernt. »Ich wusste zuerst nicht, was los war, und hab vor allem aufgepasst, dass er mich nicht entdeckt.« Sie schluckte. »Erst als ich zu ihm rüber bin, habe ich gesehen, dass er ein Messerin der Brust hatte, oder besser: einen Grabendolch aus dem Weltkrieg.«
    »Verdammt! Und in so eine Geschichte schickt dich der Buddha!«
    »Ich glaube, er hat selbst ein schlechtes Gewissen. Hat wohl nicht damit gerechnet, dass sich die Sache so entwickelt.«
    »Und mir durftest du nichts erzählen?«
    »Ausdrücklich von dir haben Gennat und Lange nicht gesprochen«, sagte sie und grinste, das erste Mal seit ihrem Aufbruch von der Hardenbergstraße. »Ich sollte niemandem was erzählen, deswegen hab ich auch dir nichts erzählt.«
    »Und warum ausgerechnet jetzt?«
    Charly nahm seine Hand und zog ihn mitsamt Kirie über die Händelstraße an der Litfaßsäule vorbei ein paar Meter die Lessingstraße hoch. Am vierten oder fünften Haus blieb sie stehen. »Hier war es«, sagte sie. »Hier bin ich einem Schupo begegnet. Kurz bevor ich den tödlich verwundeten Kuschke gefunden habe. Er kam mir entgegen, er kam aus der Händelstraße, da um die

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