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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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gehen wollen; sie hatten den Mann nicht töten wollen, nur zu Tode erschrecken, er sollte Todesängste ausstehen, das war ihr Plan gewesen. Nun war der Scheißbulle tot, und Alex wusste nicht, ob das nun eine gerechte Strafe war oder nicht. Benny jedenfalls würde es nicht wieder lebendig machen. Den hätte ihre Rache allerdings auch nicht wieder lebendig gemacht.
    Sie schaute sich um nach Vicky, die in ihrer dunklen Kleidung im Zwielicht der großen Lichthalle fast so aussah wie Benny bei ihren früheren Kaufhausaktionen. Die Nachtwächter hatten ihre Runde beendet, es wurde Zeit. Sie würden nicht mehr als eine Stunde für alle Kassen brauchen, wenn sie sich genau an die Tour hielten, die Alex ausbaldowert hatte.
    Unten in der Kurzwarenabteilung fingen sie an.
    101
    S ie waren die letzten Gäste im Nassen Dreieck, aber Schorsch, der schweigsame Wirt, meckerte nicht und stellte ihnen mit einer Engelsgeduld ein Bier nach dem anderen hin. Und zwischendurch immer wieder auch mal einen Kurzen. Ein Wirt, der seine Gäste so gut kannte, musste nicht viel reden und brauchte auch keine Bestellungen.
    Der passende Ausklang also für einen Abend, den Rath sich eigentlich anders vorgestellt hatte. Aber einerseits lag es schon über eine Woche zurück, dass er mit Reinhold Gräf an der Theke gesessen und dem Weltschmerz gefrönt hatte. Und andererseits war ihm nichts Besseres eingefallen, nachdem er sich mit Charly mal wieder heillos zerstritten hatte.
    Mussten sie sich eigentlich immer ausgerechnet vor den Wochenenden derart in die Haare kriegen? Er sollte ihr vorschlagen, ihre Streitereien vielleicht besser montags oder dienstags auszutragen, um sich freitags oder spätestens samstags dann wieder versöhnen zu können. So hätten sie eindeutig mehr vom Wochenende. Zumal ihre Versöhnungen, die normalerweise damit anfingen, dass er sie wieder zum Lachen bringen konnte, meist damit endeten, dass sie im Bett landeten. Was nicht das Schlechteste war für ihre Wochenendgestaltung.
    Diesmal war Sebastian Tornow Anlass ihres Streits gewesen.
    Rath konnte nicht glauben, was Charly ihm da erzählt hatte, vor allem wollte er es nicht glauben. Tornow war doch kein Mörder.
    Das hatte er ihr klarzumachen versucht, dass sie sich irren musste, dass da eine Verwechslung vorlag.
    »Du hast diesen Schupo vielleicht drei Sekunden lang gesehen, wie willst du dir sein Gesicht da so genau eingeprägt haben?«
    »Sein Lächeln. Ich habe mir sein Lächeln eingeprägt. Es war derselbe Mann.«
    »Was meinst du, wie viele Männer es gibt, die lächeln?«
    »Mach dich nicht darüber lustig, du weißt, wie sehr mich so was aufregt!«
    In dem Moment ungefähr hatte es angefangen. Da hatte Rath gewusst, dass sie aus diesem Streit so schnell nicht wieder hinausfinden würden. Je mehr Argumente er vorbrachte, desto hartnäckiger wurde sie in ihrer – mehr oder weniger argumentfreien – Gegenwehr.
    »Tornow trägt doch schon seit fast zwei Wochen keine Uniform mehr«, hatte Rath schließlich gesagt. »Das kann er gar nicht gewesen sein, da im Hansaviertel.«
    Er hatte ein triumphierendes Gesicht aufgesetzt, doch Charly hatte sich nicht beeindrucken lassen.
    »Trotzdem«, hatte sie gesagt, die Arme verschränkt wie ein trotziges Kind. »Er war es, so glaub mir doch endlich!«
    »Wie kann ein einzelner Mensch nur so stur sein?!«
    » Wer ist hier verdammt noch mal stur?!«
    Fünf Minuten später hatte er mit Kirie wieder im Auto gesessen und war zum Luisenufer gefahren. Der Hund verstand ihre Streitereien am allerwenigsten. Kirie hatte sich schon auf einen gemütlichen Abend in der Spenerstraße eingestellt, sich in ihrem Körbchen zusammengerollt, da ging es auch schon wieder weiter. Ohne Frauchen. Auch wenn sie ihm brav hinterhergetrottet war, so war ihr doch jedes Mal anzusehen, wie wenig sie diese überstürzten Aufbrüche verstand. Und in gewissem Sinne hatte Kirie ja auch recht: Menschen waren ganz schön seltsam. Bei Hunden war das anders, die beschnupperten sich und wenn sie sich gegenseitig riechen konnten, machten sie es einfach miteinander. Bei Menschen war das viel, viel komplizierter. Warum eigentlich?, dachte Rath, als er die schlafende Kirie betrachtete, die sich vor der Theke zusammengerollt hatte. Ein Gedanke, der vielleicht seinem exzessiven Bierkonsum zu verdanken war, aber dennoch einer, der gedacht werden musste!
    Er stieß mit Gräf an, der mittlerweile auch stumm über der Theke lehnte und seinen Gedanken nachhing. Natürlich hatte er

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