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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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hätte er dem Kerl am liebsten seine Faust ins Gesicht gerammt, dummerweise aber war er gezwungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Tornow benahm sich, als sei nichts geschehen zwischen ihnen, und Rath blieb nichts anderes übrig, als sich ebenso zu benehmen. Dennoch hatte er es möglichst vermieden, mit dem Mann zu reden, ja ihn überhaupt anzusehen. Gräf hatte das reservierte Verhalten seines Chefs durchaus bemerkt und es wohl auf ihr Gespräch im Nassen Dreieck zurückgeführt, und das war ganz gut so, auch wenn der Kriminalsekretär nun unter seinem schlechten Gewissen litt. Gennat hatte alle Mitarbeiter alarmiert, die am Fall Goldstein arbeiteten und an den Todesfällen, für die der Gangster nach Aktenlage wohl ebenfalls verantwortlich zeichnete. Ziemlich genau die Fälle, die Tornow in seinem unverschämten Erpressungsversuch genannt hatte.
    Rath strebte mit seinen Leuten direkt dem mittleren Hauptweg der Kolonie zu, über die man die Laube von Pastor Warszawski erreichte.
    Dort aber stand Wilhelm Böhm wie ein Fels in der Brandung, eine Flüstertüte in der Hand, und erwartete sie.
    »Rath und Tornow, Sie bleiben draußen«, blaffte er sie an. »Goldstein ist Ihnen schon einmal entkommen, das muss nicht noch einmal passieren. Er kennt Ihre Gesichter.« Die Bulldogge zeigte auf Gräf. »Das gilt auch für Sie. Sie kennt er aus dem Hotel.«
    Alle anderen Kripobeamten durften passieren. Rath kannte den Einsatzplan von der kurzen Besprechung, zu der Gennat sie gebeten hatte, kurz bevor sie aufgebrochen waren: Ganz vorne wurden die Bereitschaftspolizisten eingesetzt, die die Laube unauffällig umstellen sollten. Die allgegenwärtigen Hecken dürften ihnen die Sache leicht machen. Rechts und links des Gartentores sollten sich zwei Beamte mit entsicherten Waffen postieren, obwohl der Buddha alle noch einmal ermahnt hatte, von der Schusswaffe nur im allerdringendsten Notfall Gebrauch zu machen. Gennat und Böhm waren die einzigen Zivilbeamten in der ersten Frontlinie; die übrigen Kripobeamten sollten eingesetzt werden, um den Uniformierten dabei zu helfen, allzu neugierige Schrebergärtner vom unmittelbaren Einsatzort fernzuhalten.
    Rath, Gräf und Tornow waren die einzigen Polizisten hier draußen, die keine Uniform trugen, und hielten sich etwas abseits. Sie hatten noch weniger zu tun als die Uniformierten, die die Zugänge der Kolonie Abendruh überwachten. Die meisten nutzten das für eine Zigarettenpause; Rath tat es ihnen gleich.
    »Wenn wir hier nur rumstehen, warum fahren wir dann überhaupt mit«, sagte Gräf verärgert und ging zurück zu dem Opel, mit dem sie hergekommen waren. Rath zuckte die Achseln und schaute ihm nach. Er wollte gerade hinterher, da sprach Tornow ihn an.
    »Nervös?«, fragte er.
    »Sehe ich so aus?«
    »Ja.«
    »Vielleicht, weil ich wissen möchte, wann sie endlich freigelassen wird.«
    »Sobald ich sicher bin, dass Abraham Goldstein sich da drinnen wirklich versteckt hält und wir ihn auch in die Finger kriegen.«
    »Du traust mir also nicht?«
    »Das ging alles ein bisschen schnell heute.« Tornow lächelte. »Entweder hast du schon gewusst, wo Goldstein sich versteckt und damit hinterm Berg gehalten, oder aber das alles ist eine große Finte, und in diesem Schrebergarten hier stöbern wir nur ein paar Maulwürfe auf und keinen Gangster.«
    »Abwarten«, sagte Rath, der am liebsten mitten in Tornows Lächeln geschlagen hätte. Stattdessen schnippte er seine Zigarette auf den Asphalt und zertrat sie, wie er eine giftige Spinne zertreten hätte. Oder dieses Lächeln.
    »Warum das alles?«, fragte er. »Warum mussten Lenz und Höller sterben?«
    Tornows Lächeln verschwand. »Es ist besser, du weißt nicht zu viel darüber«, sagte er. »Abgesehen davon ist es doch wohl nicht schade um diese Ratten. Das waren Berufsverbrecher. Alle Welt wusste das, und niemand belangte sie deswegen.«
    »Kuschke war kein Berufsverbrecher, er war Polizist.«
    »Vielleicht hat er andere Fehler gemacht.«
    »Dass er sich beim Töten hat beobachten lassen?«
    »Es ist besser für dich, du weißt nichts über diese Dinge, glaub es mir!«
    Dann hörten sie Böhms lautes Organ, verzerrt und verstärkt durch das Megafon.
    »Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei! Abraham Goldstein, wir wissen, dass Sie sich in dieser Hütte verstecken. Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus, und es passiert Ihnen nichts. Widerstand ist zwecklos, das Gelände ist umstellt.«
    Eine halbe Ewigkeit lang hörten sie

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