Goldstein
die Zange genommen hatten, zerrten ihn weiter und verfrachteten ihn in das Mordauto. Gennat hatte offensichtlich angeordnet, schon auf der Fahrt ein paar Worte mit dem Ami sprechen zu wollen. Und dann kam er aus dem Schrebergarten, Ernst Gennat, zusammen mit Böhm, der die Flüstertüte hielt wie ein Germane seinen Schild nach geschlagener Schlacht.
»Gute Arbeit«, sagte der Buddha und klopfte Rath auf die Schulter. »Das gilt natürlich auch für Sie.«
Gemeint war der Kommissaranwärter, den Gennat mit einem väterlichen Blick bedachte.
Tornow schaute ein wenig irritiert.
»Und nun?«, fragte Rath, als Gennat im Mordauto verschwunden war und sie wieder allein an der Hecke standen und langsam zu ihrem Opel schlenderten.
»Und nun was?«
»Wir hatten eine Vereinbarung. Goldstein ist festgenommen. Anklage in allen fünf Fällen. Nun seid ihr an der Reihe.«
»Du kannst es kaum erwarten, das verstehe ich. Mach dir keine Sorgen, ein bisschen Geduld noch. Erst mal müssen wir zum Alex, dann fahre ich nach Hause, wo ich ungestört telefonieren kann, und dann wird alles Weitere in die Wege geleitet.«
»Wo kann ich sie abholen?«
»Für wie dumm hältst du uns?« Tornow schüttelte den Kopf. »Für dich bleibt nichts anderes zu tun als zu warten.«
116
Großeinsatz der Polizei
Gefährlicher Gangster hinter Gittern
In einem Großeinsatz der Berliner Polizei wurde heute der amerikanische Gangster Abraham Goldstein in seinem Versteck aufgestöbert und festgenommen. Goldstein, der sich in einer Kleingartenanlage im Südwesten Berlins versteckt hatte, soll versucht haben, sich der Festnahme zu entziehen, konnte aber von den mutigen deutschen Beamten überwältigt werden. Der amerikanische Gangster soll mehrere Menschen in Berlin ermordet haben, darunter einen Polizisten, einen SA -Mann und einen Gebrauchtwarenhändler. Auch der Mord an zwei Berliner Unterweltgrößen wird ihm zur Last gelegt. »Die Beweise sind erdrückend«, sagte Mordinspektionsleiter Ernst Gennat unserer Zeitung. Großen Anteil an der erfolgreichen Polizeimaßnahme hat der Kriminalkommissar Gereon Rath. »Kommissar Rath gelang es, Goldsteins Versteck ausfindig zu machen«, so Gennat.
Schon die meisten Abendausgaben hatten die Nachricht gebracht, am nächsten Morgen dürfte es dann wohl flächendeckend und stadtweit bekannt sein, dass Goldstein der Polizei ins Netz gegangen war. Dass Kriminalkommissar Gereon Rath sich bei dieser Gelegenheit wieder rehabilitiert hatte, das stand leider nur im Tag . Wäre Weinert nicht mit dem Zeppelin auf Reisen gewesen, hätte man es vielleicht noch im Tageblatt lesen können, aber diese eine Erwähnung reichte Rath. Und das Wissen, dass Gennat ihm zu Dank verpflichtet war. Und noch mehr Bernhard Weiß.
Geduld hatte Tornow ihm empfohlen, doch Rath hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Er war mit Kirie zur Spenerstraße gefahren, hatte sogar angefangen, das Chaos in Charlys Wohnung zubeseitigen und das Bett frisch zu beziehen. Fast kam er sich vor wie seine Mutter, die einen ähnlichen Aufwand betrieben hatte, wenn Klein Gereon von der Sommerfrische auf dem Lande zurückgekehrt war. Sogar einen Kuchen hatte sie immer für ihren heimkehrenden Sohn gebacken. Das hatte Rath für Charly nicht getan, aber ein paar frische Blumen hatte er in die Vase gestellt. Er schaute sich um; die Wohnung sah jetzt wieder halbwegs wohnlich aus. Natürlich hatte er ihre Papiere nicht sortiert, er wollte nicht in ihren Sachen schnüffeln, aber die Bücher und den sonstigen Kram, den sie ihr aus den Schränken geräumt hatten, hatte er wieder zurückgestellt.
Schließlich setzte er sich mit einer Flasche Cognac und einem Glas an den Tisch und dachte darüber nach, wie es Charly wohl gerade ergehen mochte. Ob die Kerle sie schon freigelassen hatten? Ließ Tornow ihn absichtlich so lange zappeln? Oder musste er sich erst mit seinen Komplizen bereden, bevor sie Charly gehen lassen konnten? Die vielen Fragen, die in seinem Kopf umherschwirrten, diese Ungewissheit machte ihn völlig verrückt. Ganz genau wusste er nur eines: dass er ohne große Mengen Cognac heute niemals würde einschlafen können. Den ersten Schluck genoss er noch, dann kippte er das Glas weg wie einen Klaren – schließlich ging es hier nicht um Genuss oder Trinkkultur.
Der Hund hatte sich zusammengerollt und schielte aus schläfrigen Augen nach oben.
»Prost, Kirie«, sagte Rath und hob das zweite Glas.
Irgendwann, nach der halben Flasche Cognac, musste er
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