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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Friedrichstraße angelangt. Es hatte bereits zu dämmern begonnen, die ersten Läden hatten ihre Leuchtreklamen eingeschaltet.
    »Begleiten Sie mich zurück zum Hotel?«, fragte Goldstein. »Soll von hier aus nicht weit sein, meinte der Taxifahrer.«
    »Aber gern. Ich werde alles tun, um Ihnen den Aufenthalt in unserer Stadt so unangenehm wie möglich zu machen.«
    Goldstein schüttelte den Kopf. »Ist das die berühmte Berliner Gastfreundschaft?«
    »Wir haben es nun mal nicht gern, wenn einer wie Sie in unserer Stadt unterwegs ist. Das hier ist nicht Chicago.«
    »Ich bin der böse schwarze Mann in einer Stadt voller unschuldiger Engel? Wollen Sie das damit sagen? Machen Sie sich nicht lächerlich.«
    »Ich will gar nichts sagen. Ich will nur, dass Sie mir nicht entwischen. Solange mir das gelingt, bin ich zufrieden.«
    Sie hatten die Wilhelmstraße erreicht, und Goldstein blieb an der Straßenecke stehen, direkt vor dem Prinz-Albrecht-Palais. Seelenruhig klopfte er eine Camel aus der Schachtel und zündete sie an, bevor er antwortete. »Wer sagt denn, Officer, dass ich Ihnen überhaupt entwischen wollte?«
    9
    D ie Sonne war schon hinter den Dächern versunken und schickte nur noch ein letztes Glimmen über den Horizont. Wie friedlich die Stadt von hier oben wirkte, wie weit der Blick reichte. Schlosskuppel, Dom und Rathausturm schienen zum Greifen nah, noch näher allerdings die dunklen Dächer und Ziegelmauern des Frauengefängnisses. Rechts ragten die Baumwipfel des Friedrichshains über die Dachfirste und schaukelten leise im Wind. Alex saß direkt neben dem Dachfenster und rauchte eine Manoli, mit jedem Zug saugte sie den Rauch so tief in sich hinein, als wolle sie alles absorbieren, als solle nichts von dieser Zigarette jemals wieder nach außen dringen. Sie versuchte, ihre Wut wegzurauchen, aber es gelang ihr nicht.
    Die erste Zigarette aus dieser Blechdose hatten sie sich noch geteilt. Gerade einmal zwei Tage war das her, und doch kam es ihr vor wie ein Bild aus einem anderen Leben: Benny, der vor ihr stand und sie anlächelte, so unsicher und so verliebt. Verdammt! Sein schüchterner Annäherungsversuch, der verunglückte Versuch eines Kusses. Und sie hatte ihm einen Korb gegeben. Das Letzte, was sie ihm gegeben hatte, kurz vor seinem Tod: ein verdammter Korb.
    Sonst hatten sie immer zusammen hier gesessen, hier oben auf dem Dach, und sich eine Zigarette geteilt, immer vor dem Schlafengehen, jeden Abend, den sie in Wohnung B verbrachten. Sie mussten hier draußen rauchen, kalter Zigarettenrauch konnte verräterisch sein. Wohnung B, das war eigentlich ein verwaister Verschlag auf einem Dachboden in der Büschingstraße, in einem Hinterhaus, in dem die meisten Wohnungen leer standen, ein perfekter Unterschlupf, an heißen Tagen manchmal etwas zu warm, aber sonst ideal. Benny hatte ihn aufgetan, weiß der Teufel wie, aber er hatte immer einen Riecher gehabt für eine geeignete Bleibe. Nur ganz selten in den letzten Monaten hatten sie wirklich draußen schlafen müssen. Und irgendwas hatten sie immer zu rauchen gehabt, und wenn sie sich aus zusammengesuchten Kippenresten eine neue gedreht hatten.
    Ein letzter Rest Tageslicht leuchtete im Westen über die Dächer. Unten im Hof war es schon dunkel, die meisten Leute lagen inihren Betten. Alex schnippte den Zigarettenstummel hinunter und verfolgte seine Flugbahn. Wie ein abstürzendes Glühwürmchen trudelte die Glut hinab in die Finsternis.
    Ja, sie hatten wirklich verdammtes Glück gehabt in den letzten Wochen, und eigentlich hatte Alex geahnt, dass das Schicksal, oder welche Macht sonst für diese Dinge zuständig sein mochte, irgendwann die Rechnung präsentieren würde. Das konnte doch nicht gut gehen, zu viel Glück, das konnte niemals gut gehen. Und es war nicht gut gegangen, sie hatten bezahlen müssen, Benny sogar mit dem Leben. Als sei das ganze Glück der letzten Wochen nur eine Leihgabe gewesen, ein Kredit mit viel zu hohen Zinsen.
    Und Kalli, die Ratte, hatte sie mit einem Zwanziger abgespeist, mit einem lumpigen Zwanziger! Der würde sich noch umschauen, der Geizkragen, der würde sich noch wünschen, er hätte ihr mehr gegeben. Ihr Entschluss stand fest. Heute Nacht noch musste es passieren. In einer Stunde würde es dunkel genug sein, sie könnte schon einmal in die Straßenbahn steigen und hinüberfahren. Ohne Zigaretten gab es ohnehin keinen Grund, noch länger auf dem Dach zu sitzen.
    Alex wollte gerade durch das Fenster wieder hineinklettern,

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