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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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da ertönte ein helles, blechernes Scheppern, ihr Alarmsystem, ein paar Blechbüchsen, die Benny per Wäscheleine mit der Tür unten am Fuß der Dachbodentreppe verbunden hatte, gleich nachdem sie eingezogen waren. Und dann hörte sie auch schon Schritte auf der Treppe. Scheiße, wer wollte denn um diese Uhrzeit noch auf den Dachboden? Ruckzuck zog sie ihre Beine, die schon über dem Boden gebaumelt hatten, wieder hinaus und rückte von der Fensteröffnung weg. Keine Sekunde zu spät, die Dachbodentür öffnete sich, und plötzlich begann jemand zu sprechen. Die Stimme klang so laut, als stünde der Mann direkt neben ihr.
    »Was wollense denn jetzt gesehen haben, Frau Karsunke? Hier is doch allet duster.«
    »Na, dieset Gör. Is hier ruff und jehört nich ins Haus.«
    Das Licht ging an. Alex machte sich ganz steif und wagte kaum noch zu atmen. Die Vierzig-Watt-Birnen der Dachbodenbeleuchtung warfen einen gelblichen Schimmer auf die Dachziegel.
    »Sindse da ganz sicher? Sieht mir nich so aus, als wäre hier jemand.«
    »Habse doch gesehen. Und nicht das erste Mal. Da stimmt was nicht.«
    Alex hatte den Hauswart noch nie einen Ton reden hören, aber sie wusste, dass er es war, sie sah sein rotes Gesicht bei jedem Wort vor sich. Jetzt fing er an zu rufen. »Hallo! Ist hier jemand?«
    »Wird sich wohl verstecken. Wat denn sonst? Müssense schon ’n bisschen nachkieken, Herr Ebers.«
    Der verwaiste Verschlag mit der Nummer vierzehn befand sich ganz am Ende des Ganges. Tagsüber stellten sie die Matratzen immer an die Wand, packten die Schlafsäcke und ihren Krempel weg und türmten alles mögliche Gerümpel davor, damit es aussah, als habe der letzte Mieter seinen Verschlag nicht ganz leer geräumt. Alex hörte die Lattentüren knarzen, eine nach der anderen.
    »Bleiben Sie man bei die Treppe, Frau Karsunke, damit uns niemand entwischen kann.«
    Der Gedanke an Flucht, vorbei an den beiden die Treppe runter, verschwand genauso schnell wieder aus Alex’ Kopf, wie er gekommen war. Stattdessen klebte sie stocksteif am Dach, direkt neben der Dachgaube. Einfach ruhig bleiben, die würden Wohnung B schon nicht entdecken. Und in einer halben Stunde wären sie wieder verschwunden, lägen in ihren Betten, und Alex könnte ohne Gefahr die Treppe hinunter und aus dem Haus.
    Verdammt! Vor wenigen Tagen hatte sie Benny gefragt, ob es nicht langsam Zeit würde für eine neue Bleibe, aber der hatte abgewiegelt, ein paar Tage seien noch drin, dann würden sie sich eine richtige Wohnung mieten, von dem KaDeWe-Geld, das Kalli ihnen in Aussicht gestellt hatte, und Alex hatte sich von seinen Worten einlullen lassen, sie hatte ja auch nur ein komisches Gefühl gehabt, was die Wohnung B anging, sonst nichts. Hätte sie doch auf ihr komisches Gefühl gehört!
    »Sehense, hab ick doch jesacht, hier ist nischt«, hörte sie den Hauswart sagen. »Das Mädel ist vielleicht wirklich bei Grünbergs. Wie se jesacht hat.«
    »Bei Grünbergs schlafen doch schon alle, und die ist vor zwei Stunden die Treppe hoch und nicht wieder zurück.«
    »Hier ist jedenfalls niemand.«
    »Dann vielleicht doch eine von den leeren Wohnungen.«
    »Die sind doch alle abgeschlossen. Hörense, Frau Karsunke, Siehaben mir aussen Schlaf jeklingelt, ick bin mit ruff, jetzt is aber auch Feierabend. Hier ist nischt!«
    »Und das Fenster?«
    »Wie?«
    »Da, das Dachfenster. Ist nur angelehnt.«
    »Wird einer gelüftet haben beim Wäscheaufhängen.«
    Alex hörte, wie sich die Schritte näherten. Scheiße, hoffentlich kam der Mensch nicht aufs Dach! Sie machte sich ganz steif, wenn er sie jetzt sehen wollte, müsste er schon selber rausklettern. Sie hörte die Fensterscharniere knarren. Doch es wurde nicht zur Gänze geöffnet, es wurde geschlossen, wie ihr das Zuschnappen des Riegels verriet. Der Blödmann von Hauswart hatte sie ausgesperrt.
    Sie hörte die Stimmen kaum noch, aber nach wenigen Minuten ging drinnen auf dem Dachboden das Licht aus. Sie waren wieder weg.
    Vorsichtig schaute sie um die Ecke durch die Fensterscheibe. Alles dunkel, nichts zu erkennen. Ob das eine Falle war? Ob der Hauswart drinnen im Dunkeln darauf wartete, dass sie sich zeigte?
    Scheißegal, was es war, jedenfalls saß sie jetzt auf diesem verdammten Dach und wusste nicht, wie sie da wieder runterkommen sollte! Inzwischen hatte die Nacht auch das letzte Licht verschluckt.
    10
    D as Auto wirkte ein wenig fehl am Platz. In der Stralauer Allee standen überwiegend Lastwagen am Straßenrand oder

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