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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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vielleicht aufgeben und ins Hotel zurückkehren.
    Der Ami steuerte bereits den Taxistand vor dem Bahnhof an, da kam auch Gräf aus der Unterwelt, ein wenig außer Atem, und suchte sein Zielobjekt. Rath fing den Kriminalsekretär ab.
    »Sieht aus, als würde unser Mann ein Taxi nehmen«, sagte er. »Ich bleib an ihm dran, geh du ins Hotel zurück, Plisch und Plum kommen in ’ner knappen Stunde zur Übergabe.«
    Gräf nickte nur und machte kehrt. Als Rath sich wieder dem Taxistand zuwandte, hatte er Goldstein verloren. Da löste sich ein Großtarifwagen aus der Reihe und rollte zur Stresemannstraße, an der bereits andere Kraftdroschken darauf warteten, sich in den fließenden Verkehr einzufädeln. Rath erkannte einen sandfarbenen Hut im Fond, glaubte sogar zu sehen, wie Goldstein kurz die Hand hob, als winke er.
    Der Kommissar hatte seinen Buick direkt am Bahnhof geparkt; er merkte sich die Taxinummer und spurtete los, die Wagenschlüssel in der Hand. Als er endlich im Auto saß und startete, bog Goldsteins Taxi gerade auf die Stresemannstraße. Sie fuhren Richtung Potsdamer Platz. Rath gab Gas, überholte einen Opel, der auf Parkplatzsuche war, und folgte dem Taxi. Er hatte einen Großtarifwagen im Visier, ohne sich ganz sicher zu sein, ob das wirklich Goldsteins Taxi war, doch Meter um Meter kam er näher heran. Am Potsdamer Platz hatten sie Rot, und er kam dem Wagen so nah, dass er die Nummer wieder lesen konnte. 7685. Ja, das war er!
    Die Ampel sprang auf Grün und es ging weiter, die Bellevue­straße hinunter über den Kemperplatz, dann in die Tiergartenstraße. Rath blieb dran. Als er schon vermutete, dass sich der Amerikaner in den Westen bringen ließe, bog das Taxi plötzlichund ohne Winker nach rechts, dem Großen Stern entgegen. Nun war klar, dass Goldstein ihn entdeckt hatte. Im Kreisverkehr versuchten sie, ihn loszuwerden, fuhren erst einmal ein paar Runden Karussell, um dann plötzlich auf die Charlottenburger Allee abzubiegen, doch Rath blieb dran, hatte das Taxi vor dem Brandenburger Tor wieder eingeholt. Was Goldstein dem Fahrer für diese Manöver zahlen mochte? Rath ließ sich nicht abhängen, er folgte dem wildgewordenen Taxi, das sich unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln, soweit Rath sie kannte, immer weiter in den Osten mäanderte.
    Nach einer Dreiviertelstunde, nach einer Odyssee quer durch Weißensee und Pankow, war die wilde Jagd plötzlich vorbei. Im tiefsten Wedding, sie waren gerade in irgendeine Seitenstraße abgebogen, fuhr das Taxi plötzlich rechts ran und hielt direkt neben dem Bordstein, so plötzlich, dass Rath beinah weitergefahren wäre. Er zog den Buick links rüber, parkte auf der anderen Straßenseite und hielt das Taxi im Blick. Das Taxameter musste inzwischen astronomische Summen anzeigen. Es dauerte einen Moment, und Rath rechnete eher damit, die Jagd gleich fortzusetzen, da stieg Goldstein aus. Er schaute sich kurz um, als müsse er sich erst vergewissern, auch wirklich am Ziel zu sein, dann setzte er den Hut auf, stiefelte zielstrebig und direkt auf eine Eckkneipe zu, öffnete die Tür und war verschwunden. Das Taxi blieb stehen, mit laufendem Motor.
    Rath überlegte nur kurz, ob das womöglich eine Finte sein könnte, dann stieg er aus, überquerte die Straße, die Kneipentür immer im Blick, und hielt seine Marke ans Taxifenster. Der Fahrer klappte die Scheibe runter und schaute überrascht.
    »Ja bitte, Herr Kommissar?«
    »Ihr Fahrgast, hat der Ihnen gesagt, wie lang Sie ungefähr warten sollen?«
    »Hat er.«
    »Und? Wann kommt er zurück?«
    Der Mann zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
    Die Gemütsruhe des Fahrers ging Rath auf die Nerven. »Hat er Ihnen nun gesagt, wie lange Sie warten sollen, oder hat er nicht?«
    »Man immer mit die Ruhe, der Herr! Ick soll so lang warten, bis det Taxameter auf zwanzich steht, hat er gesagt.«
    »Was soll denn das für einen Sinn haben?«
    »Weeß ick doch nich.« Der Mann zeigte noch ein Achselzucken. »Ick weeß nur, im Moment steht’s uff zwölffuffzich. Und bezahlt hat er schon, also warte ick, allet andere juckt mir nich.«
    Rath schlug vor Wut auf das Autodach und ließ das Taxi stehen. Der Fahrer rief noch irgendetwas, das Rath nicht verstand, er war schon bei der Eckkneipe angelangt, die den vertrauenerweckenden Namen Rote Laterne trug. Bierdunst schlug ihm entgegen, als er die Tür öffnete. Er blinzelte in das Halbdunkel und erkannte eine Gaststube, die sich ins Unendliche streckte, ein dunkler Schlauch, in

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