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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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kleinere Lieferwagen. Jedenfalls keine Luxusschlitten wie der rot-schwarze Horch, der jetzt auf Höhe der Getreidespeicher einparkte. Hugo Lenz stieg aus dem Wagen und reckte seine beachtliche Gestalt in den Nachthimmel, streckte Arme und Beine aus und spürte das Blut durch seinen Körper fließen. Er mochte die Luft hier am Hafen, den Geruch des Flusses, vermischt mit dem Benzingeruch der nahen Tanks. Er schloss den Wagen nicht ab. Das hier war seinReich, niemand würde auf die Idee kommen, den Wagen des roten Hugo zu stehlen, nicht in diesem Viertel. Im Osthafen hatte Hugo Lenz vor vielen Jahren, kurz vor dem Krieg, einmal gearbeitet, mit vierzehn, fünfzehn, bevor er begonnen hatte, sein Geld auf andere Weise zu verdienen. Auf eine riskantere, aber auch deutlich einträglichere Art und Weise. Zweieinhalb Jahre Knast hatte ihm das summa summarum eingebracht, ein fairer Preis, wenn man bedachte, wie gut es ihm jetzt ging.
    Obwohl es im Moment nicht mehr ganz so rund lief, wie es sollte. Die Nordpiraten machten ernsthaft Schwierigkeiten, seit Ratten-Rudi sich aus dem Kittchen zurückgemeldet hatte. Heute morgen erst hatten irgendwelche Krawallmacher den Kiosk von Fritze Hansen zu Klump gehauen, einem der zuverlässigsten Schutzgeldzahler, die die Berolina auf ihrer Liste hatte. Natürlich steckten die Piraten dahinter. Eine unverfrorene Demütigung. Schaut alle her, sollte das heißen, schaut her: Die Berolina ist nicht mehr in der Lage, die Leute in ihrem Gebiet zu schützen. Warum also zahlt ihr überhaupt noch?
    Wenn Marlow nicht bald reagierte, würde ihnen die Sache über den Kopf wachsen. Bislang hielt der feine Herr sich lieber zurück, wollte nichts unternehmen, was die Bullen auf den Plan rief und die Geschäfte störte.
    Doktor M. hatte vielleicht nicht ganz unrecht, doch einfach rumzusitzen und gar nichts zu tun, das war bestimmt nicht die richtige Antwort. Die Piraten wurden von Tag zu Tag frecher, war nur eine Frage der Zeit, wann es den ersten Toten geben würde. Kettler hatten sie aus dem Fenster geworfen, der saß jetzt im Rollstuhl, es hätte ihn auch schlimmer erwischen können. Schon da hatte Lenz zuschlagen wollen, doch Marlow hatte ihn gebremst. Dass sie ein Wettbüro an der Greifswalder Straße hatten abfackeln dürfen, das die Piraten gerade neu aufgezogen hatten, war das einzige Zugeständnis, das Marlow an den Rachedurst seiner Leute gemacht hatte.
    Aber der feine Doktor hatte keine Nase für die Stimmung unter den Männern. Sollten sie sich noch länger von den Piraten auf der Nase herumtanzen lassen, würden die Ersten von der Fahne gehen. Es musste etwas geschehen. Die Piraten mussten aus dem Verkehr gezogen werden, und zwar auf eine Art und Weise, mit derdie Bullen mehr als einverstanden sein würden. Und Hugo Lenz wusste, wie das laufen könnte. Seine neuen Verbündeten würden ihm dabei helfen. Und sogar noch Geld dafür bezahlen.
    Dass sie es ernst meinten, das hatte er schon feststellen können. Die Warenhausgören waren am Wochenende im KaDeWe außer Gefecht gesetzt worden. Einer der kleinen Scheißer hatte dabei sogar sein Leben gelassen. Das hatte Hugo eigentlich nicht gewollt, er hatte den Straßenkindern, die die Bullen seit Wochen schon nervös machten und der Berolina die Geschäfte vermiesten, nur einen Denkzettel verpassen wollen. Er hatte keine Toten gewollt, gleichwohl war ein Toter ein verdammt guter Denkzettel. Die anderen Rotzgören würden vorerst die Finger lassen von den Warenhäusern in der Stadt. Kalli hatte das ganz ähnlich gesehen; er wusste, dass er mit der Berolina bessere Geschäfte machte als mit irgendwelchen dahergelaufenen Straßenkindern.
    Wenn es bei der Aktion gegen die Piraten ebenfalls Tote geben sollte – Hugo hatte nichts dagegen. Schließlich würde die Berolina mit alldem nichts zu tun haben.
    Lenz überquerte die Eisenbahngeleise, die parallel zur Stralauer Allee verliefen und den Osthafen mit der weiten Welt verbanden. Den Treffpunkt hatte er selbst vorgeschlagen. Eines der Warenlager gleich neben dem großen Kühlhaus gehörte der Berolina. Offiziell natürlich nicht, niemand vermietete eine Lagerhalle an einen Ringverein, offiziell nutzte die Firma Marlow Importe die knapp zweitausend Quadratmeter, und so verkündete es auch das Schild über der Laderampe. Lenz hatte dafür gesorgt, dass keiner seiner Leute mehr hier war, der ihr Gespräch hätte stören können. Es ging niemanden etwas an, mit wem sich der Chef so traf.
    Er ging den Kai

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