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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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dem die Theke leuchtete wie eine Verheißung. Nur wenige Gäste, allesamt Männer, die meisten saßen am Tresen. Einer schien sich nur noch mühsam auf seinem Barhocker halten zu können, aber selbst der Betrunkene drehte seinen Kopf, um den Eindringling zu begutachten. Nur die Frau am Ausschank zapfte weiter ihr Bier, ohne aufzusehen. Den Ami konnte Rath nirgends entdecken.
    »Hier muss ein Mann durch sein«, sagte er. Seinen Ausweis zeigte er nicht, der war in dieser Gegend keine Empfehlung. Die Männer an der Theke schwiegen. Rath wandte sich an die Wirtin: »Ist hier ein Mann durch?«
    Die Frau, die ein wenig zerbrechlich wirkte, zapfte in aller Ruhe das Bier fertig, bevor sie auf seine Frage reagierte. Mit einem langsamen, kaum merklichen Nicken. »Is aber schon ’ne Weile her.« Sie zeigte nach hinten. »Hat nach den Toiletten gefragt.«
    In dem schmalen, dunklen Gang roch es nach Pisse. Rath hielt den Atem an und riss die Toilettentür auf, obwohl er nicht erwartete, Goldstein hier am Pissoir zu finden. Er vergewisserte sich kurz, dass auch die Kabine leer war, dann rannte er weiter, bis er auf den Hof gelangte. Von Goldstein keine Spur. Rath hetzte durch ein großes Tor, das direkt auf die Straße führte, allerdings nicht die, von der er gekommen war, eine breite Straße mit vielen Passanten. Reinickendorfer Straße las er auf dem Schild. Und dann hatte er Goldstein wieder entdeckt. Der helle Hut war einfach zu elegant für diese Gegend, wo die meisten Menschen einfach nur eine schlichte Mütze trugen. Der Ami lief zum Nettelbeckplatz, kurz vor der S-Bahn-Brücke überquerte er den Fahrdamm, Rath glaubte schon, er laufe zum S-Bahnhof hoch, doch Goldstein bogin die Lindower Straße, die ebenso heruntergekommen aussah wie die Straße, in der das Taxi wartete. Hatte Goldstein sich verlaufen? Das würde er dem Ami gönnen!
    Doch der machte nicht den Eindruck eines verirrten Touristen. Zielstrebig steuerte er die Müllerstraße an und lief dort die Treppen zur U-Bahn runter. Rath musste einen Schritt zulegen, um mitzuhalten.
    Auf dem Bahnsteig sah er ihn wieder, gerade fuhr eine U-Bahn ein. Rath hielt Goldstein im Blick, und auch der hatte seinen Verfolger bereits entdeckt, setzte ein Grinsen auf, machte aber keinerlei Anstalten, in die Bahn zu steigen. Rath hielt sich nah an einer Tür, bereit, jeden Moment hineinzuspringen, sollte es nötig sein. Das »Zurückbleiben!« des Stationsvorstehers kam über die Lautsprecher und wirkte auf Goldstein wie ein Startschuss. Er hechtete in den Zug, und Rath tat es ihm gleich, schaffte es gerade noch in einen Dritte-Klasse-Wagen, da fuhr der Zug an, und die Türverriegelung rastete ein.
    »Ihnen hamse wohl ins Jehirn jeschissen«, maulte ein schlecht gelaunter Arbeiter, dem Rath auf den Fuß getreten war, »könnense nich uffpassen?«
    »’tschuldigung«, murmelte Rath. Schwartzkopffstraße hieß die nächste Station, sie fuhren Richtung Süden. Rath steckte seinen Kopf aus der Tür, doch Goldstein stieg nicht aus. Er konnte den Ami nicht anders im Blick halten, Goldstein saß in der zweiten Klasse, da gab es im Zug keine Verbindung. Als das »Zurückbleiben« ertönte, war er immer noch nicht ausgestiegen, erst im letzten Moment zog Rath seinen Kopf wieder ein.
    »Sie sind mir ja’n komischer Vogel«, meldete sich der Arbeiter wieder. »Weeß nich ob rin oder raus oder was?«
    Am Stettiner Bahnhof stieg der Mann aus, und Rath hatte Ruhe vor seinen Bemerkungen. Die übrigen Fahrgäste schauten nur komisch, wenn Rath bei jeder Station erneut an die Tür trat, den Ein- und Aussteigenden dabei im Weg stand und sich den ein oder anderen Rempler einhandelte. Goldstein blieb noch eine ganze Weile im Zug, erst im Bahnhof Kochstraße sah Rath ihn aus der Bahn steigen. Er musste sich nicht beeilen, der Mann spazierte seelenruhig zum Aufgang, blieb am Fuß der Treppe sogar stehen und wartete auf seinen Verfolger.
    »Na, Herr Kommissar«, sagte er, als Rath ihn erreicht hatte, »ist ja eine ganz schön große Stadt, Ihr Berlin.«
    Scheinbar einträchtig stiegen sie die U-Bahntreppe hoch, der Gangster und der Kommissar.
    »Wenn Sie eine Stadtrundfahrt machen wollen«, sagte Rath, »empfehle ich Ihnen einen von Käses Reisebussen, da sehen Sie mehr für weniger Geld. Und bekommen gratis noch ein paar Erklärungen dazu.«
    »Danke für den Hinweis. Werd’ ich mir merken. Begleiten Sie mich dann auch wieder?«
    »Immer gerne.« Rath lächelte säuerlich.
    Sie waren oben auf der

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