Goldstein
hinteren Lagerräume oder durch ein Bürofenster auf den Wirtschaftshof gelangen, und von dort auf die Ansbacher Straße. Dann nur noch unter die Leute mischen und mit der nächsten U-Bahn zurück in den Osten. So wie immer.
Da passierte etwas, das ihre Pläne komplett über den Haufen warf. Die Tür zum südlichen Treppenhaus öffnete sich und ließ einen Lichtkeil in die Verkaufsetage fallen. Alex machte instinktiv einen Ausfallschritt und zog Benny mit hinter eine Wand, an der Unmengen seidener Krawatten drapiert waren. Sie meinte, eine Uniform in der Tür gesehen zu haben. Nicht das Rot-Braun der KaDeWe-Nachtwächter, mit dem sie gerechnet hatte, sondern das dunkle Blau der preußischen Polizei.
Und nun hörten sie die Männer hereinkommen. Es musste ein ganzer Trupp Schupos sein. Alex schaute Benny an, und der formte mit seinen Lippen lautlos ein Wort, das sie am liebsten laut hinausgeschrien hätte: Scheiße.
Nun also doch Richtung Tauentzien, sie hatten keine andere Wahl, an den Blauen kamen sie nicht vorbei. Was zum Teufel machten die überhaupt hier? Alex gab Benny ein Zeichen mit dem Kopf und ging voran. Leicht gebeugt, die Deckung der Regale und Kleiderständer nutzend, arbeiteten sie sich durch das Halbdunkel, vergrößerten den Abstand zu den Blauen.
»Polizei«, hörten sie jemanden rufen. »Wir wissen, dass Sie hier sind. Ergeben Sie sich. Sie können nicht entkommen.«
Und plötzlich fing es an zu flackern. Nur für ein paar Augenblicke zuckte das Licht, dann war es taghell. Alex duckte sich noch tiefer hinter das Regal, das sie gerade passierten, und lugte um die Ecke. Sah nicht gut aus. Die Schupos hatten sich in mehrere Trupps aufgeteilt und durchkämmten nun systematisch die ganze Etage.
Sie schaute Benny an, der hob ratlos die Schultern. Nicht mehr viel Zeit, sie mussten etwas tun. Da, die Fahrstühle! Ein paar Meter links von ihnen, nur der mittlere stand im Erdgeschoss! Alex deutete auf die pompös verzierten Fahrstuhltüren, und Benny nickte. Die einzige Chance, die sie hatten, die einzige Möglichkeit, sich einen kleinen Vorsprung zu erarbeiten, ein bisschen Zeit zu gewinnen für einen neuen Fluchtplan. Sie machten sich ganz klein und robbten an einem langen Kleiderständer voller Golfhosen vorbei. Jetzt waren die Fahrstühle zum Greifen nah. Leider nicht ganz. Um den Knopf drücken zu können, müssten sie sich aus ihrer Deckung wagen.
Da hörte Alex eine Männerstimme ganz in der Nähe. »Die haben hier schon gewütet. Schaut euch das mal an! Hoffentlich sind die nicht schon weg.«
»Die sind noch irgendwo im Haus, das spüre ich«, sagte ein anderer.
Alex lauschte gebannt. Die Blauen hatten die kaputten Vitrinen entdeckt, das würde sie einen Moment ablenken. Jetzt oder nie! Sie holte tief Luft, bevor sie, immer noch in der Hocke, an die Wand trat und ihren Arm lang machte, um den Knopf zu drücken.
Mit einem leisen Pling glitt die Tür auf.
Nicht leise genug.
»Halt, Polizei!«, rief jemand. »Heben Sie die Hände und zeigen Sie sich!«
Alex zog Benny in den offenen Fahrstuhl und drückte schnell einen der oberen Knöpfe. Wenigstens wusste sie, wie diese Dinger funktionierten, Wertheim sei Dank. Die Blauen kamen schon um die Ecke, ihr Anführer rief noch einmal etwas von wegen »Stehenbleiben«, da endlich schloss sich die Tür, und der Aufzug fuhr nach oben. Gott sei Dank! Erst einmal hoch, erst einmal Abstand gewinnen zu ihren Verfolgern. Bis die Bullen einen der anderen Aufzüge ins Erdgeschoss geholt hätten, dürfte etwas Zeit vergehen.
Sie schaute Benny an. Endlich konnten sie wieder reden.
»Scheiße«, sagte er, »was machen die Bullen denn hier?«
»Vielleicht haben wir irgendwo den Alarm ausgelöst.«
»Kommt mir eher so vor, als hätten die uns erwartet. Als hätten die nur drauf gewartet, uns in flagranti zu erwischen.«
»Erst mal müssen die uns kriegen.«
»Stimmt.« Benny grinste sie an. »Im Weglaufen bist du verdammt gut, Alex, das wusste ich schon immer. Aber wo hast du gelernt, einen Fahrstuhl zu bedienen?«
»Bei Wertheim war ein Liftboy scharf auf mich.«
Er knuffte sie in die Seite und lachte, dabei hatte sie gar keinenScherz gemacht. Die Affäre mit dem hartnäckigen Verehrer hätte sie fast ihre Stelle gekostet. Die Stelle, die sie dann ein halbes Jahr später ohnehin verloren hatte.
Der Aufzug hielt, die Tür öffnete sich und zeigte eine Fünf an der Wand gegenüber.
»Bitte aussteigen, die Herrschaften«, sagte Alex.
»Sollen wir nicht
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