Goldstück: Roman (German Edition)
der wirkt nicht einmal schuldbewusst.
»Was denn für ein Holger?«, will Nadine wissen. »Der Name sagt mir rein gar nichts.«
»Egal, das gehört hier jetzt wirklich nicht hin.« Ich setze ein Lächeln auf. »Jedenfalls danke für die Freikarten. Ein etwas ungewöhnliches Geschenk, aber ich freue mich.«
»Ich bin sicher, du wirst Spaß haben«, meint Nadine, »und wenn du nicht weißt, wen du mitnehmen sollst: Ich bin ein totaler Achterbahnfan.«
»Verstehe. Ein komplett selbstloses Geschenk also.«
»Das ist jetzt gemein.« Nadine zieht einen Schmollmund. »Ich meinte doch nur, falls du nicht weißt, wen du mitnehmen sollst.«
»Ja, ist schon okay«, erwidere ich, »und ich freue mich wirklich!« Im Geiste frage ich mich allerdings schon, was solche Tickets wohl bei eBay bringen. Ich hab ja nicht mal ein Auto, um da hinzukommen, und bis nach Soltau trampen halte ich für keine so gute Idee. Okay, ich könnte tatsächlich Nadine mitnehmen, und wir fahren mit ihrem Auto. Allerdings nur, wenn sie mich ans Steuer lässt, das erste und letzte Mal, dass ich mit Nadine Auto gefahren bin, habe ich Blut und Wasser geschwitzt. Eine Achterbahnfahrt ist mit Sicherheit nichts dagegen, schon nach fünf Minuten war mir so schlecht, dass ich
fast aus dem Fenster gekotzt hätte. Ach, nein, eBay ist wohl das Beste, in Anbetracht meiner finanziellen Lage vermutlich sogar das einzig Sinnvolle.
»Oder du nimmst mich mit«, schlägt Roger vor.
»Wer weiß, vielleicht mache ich das sogar?«, erwidere ich mit einem ironischen Grinsen. »Mit dir würde ich nur zu gern mal Achterbahn fahren.«
Roger zuckt etwas irritiert zusammen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er schon verstanden hat, wie ich es meine. »Ja, klar, hihi, bin ich dabei, wenn Bedarf besteht.« Prima, denke ich mir, und dann werde ich dich an der höchsten Stelle genüsslich aus der Bahn schubsen! »Tja, Mädels, ich muss noch mal zur Bank, Wechselgeld holen«, will sich mein Chef ziemlich eilig verabschieden.
Geschenk hin, Geschenk her, um das Gespräch kommt er nicht rum. »Roger, warte mal. Ich muss noch mal wegen gestern mit dir reden.«
»Ja? Hat das nicht Zeit? War doch so weit alles klar.«
»Nein, ich fürchte, es kann nicht warten.«
»Worum geht es denn?«
»Ich glaube, das weißt du ganz genau.«
»Also, wenn ihr was besprechen wollt«, schaltet Nadine sich ein, »kümmer ich mich mal um die Bänke. Da müssen noch zwei gereinigt werden.«
»Ja, mach das«, sage ich, ohne den Blick von Roger zu wenden.
Nadine schnappt sich Lappen und Desinfektionsspray und schiebt ab.
»Setz dich«, fordere ich Roger auf und deute auf seinen Stuhl.
»Okay«, er nimmt Platz, ich setze mich neben ihn. »Was hast du denn auf dem Herzen, Chérie?«
»Das mit dem Chérie kannst du dir gleich mal schenken«, blaffe ich ihn an.
»Oh!« Er hebt abwehrend die Hände. »Du bist ja heute nicht sonderlich gut gelaunt.«
»Dazu habe ich schließlich auch keinen Grund.«
»Immerhin ist dein Geburtstag.«
»Der Dreißigste einer Singlefrau ist erst recht kein Grund für gute Laune«, pampe ich ihn an. »Aber darum geht es auch gar nicht. Genau genommen geht es um die Sache mit der Beteiligung.«
»Was ist denn damit?«
»Also, offen gestanden fühle ich mich von dir nicht fair behandelt.« Das ist noch milde ausgedrückt, aber ich dachte mir, ich gehe das Gespräch lieber ruhig an, statt ihm gleich den Kopf abzureißen.
»Nicht fair behandelt?«
»Es ist sicher kein Zufall, dass du mir diese Umsatzbeteiligung gerade dann anbietest, wenn hier alle vom Jahrhundertsommer reden?«
»Jahrhundertsommer?« Roger zieht überrascht beide Augenbrauen in die Höhe. »Das höre ich zum ersten Mal.«
»Ach ja?« Ich muss mich wirklich beherrschen, damit ich ihm nicht gleich an die Gurgel gehe, weil er mich hier so dreist anlügt. »Du hältst mich wohl für total bescheuert!«
Roger seufzt. »Ich weiß echt nicht, was du hast. Du wolltest doch ein neues Vergütungsmodell. Und nun hast du eins.«
»Ja, aber ich wollte mehr verdienen, nicht weniger. Sollte tatsächlich ein Wetterumschwung kommen und wir haben mitten im Frühling schon Hochsommer, dann bin ich auf einmal die Blöde.«
Mein ›Partner‹ zuckt mit den Schultern. »Also, für das Wetter kann ich nun wirklich nichts. Und um ehrlich zu sein: Ich musste in letzter Zeit viel investieren, die Konkurrenz schläft schließlich nicht, und der Strom wird auch immer teurer. Das Geld ist momentan knapp. Also, wenn
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