Goldstück: Roman (German Edition)
Kikis Examensfeier: Kiki ganz elegant im kleinen Schwarzen, ich im engen Stretchkleid auf sexy getrimmt. War wohl gerade mal wieder auf Männersuche.
So viele Erinnerungen. So viele schöne gemeinsame Momente. Während Stefan Kikis Klamotten in diverse Kartons verpackt, die wir später zur Altkleidersammlung bringen wollen – ich könnte es nicht aushalten, etwas davon zu tragen –,
bin ich über die große Fotokiste in Kikis Bücherregal gestolpert. Schon als ich den Deckel öffnete, war mir klar, dass es ein Fehler sein würde, aber ich konnte nicht anders. Jetzt lege ich die Fotos zur Seite, weil ich vor lauter Tränen in den Augen sowieso nichts mehr sehen kann.
»Puh«, stöhne ich, »das ist ganz schön hart.«
»Ja«, meint Stefan, und ihm ist anzuhören, dass auch er mit den Tränen kämpft. Er lehnt sich erschöpft gegen die Schranktür und mustert mich ratlos. »Vielleicht sollten wir doch eine professionelle Entrümpelungsfirma anrufen, die das übernimmt.«
»Kommt nicht in Frage«, stelle ich fest. »Ich lasse keine fremden Menschen in den Sachen meiner Cousine rumwühlen. Außerdem wissen die nicht, was wegkann, was für meinen Onkel und meine Tante ist und was du oder ich vielleicht behalten wollen.«
»Hast recht. Also machen wir weiter.«
Fünf Stunden später haben wir alles zusammengepackt und nach »Soll weg«, »Behalten wir« und »Geht an Kikis Eltern« sortiert. Noch dazu haben wir mein Zimmer von leeren Flaschen und Pizzakartons befreit. Das war mir Stefan gegenüber ziemlich peinlich, aber er hat mir die ganze Zeit versichert, dass es bei ihm zu Hause gerade auch nicht viel besser aussieht und ich ihm ja demnächst helfen könne, dort auch Klarschiff zu machen. Wir haben die Wohnung gründlich geputzt und einmal alles durchgesaugt, Wäsche gewaschen (ich hatte nicht einmal mehr eine saubere Unterhose), Geschirr gespült (genau genommen nur Weingläser, die Pizza habe ich immer direkt aus den Kartons mit den Fingern gegessen), und schließlich habe ich mich nach Stefans Hinweis, dass es eigentlich nur noch eine Sache gebe, die jetzt noch nicht blitzblank sei, unter die Dusche gestellt und mir eine Jogginghose und ein T-Shirt, die frisch aus dem Trockner kamen, angezogen.
»So, fertig«, rufe ich, als ich aus dem Bad komme. »Misses Flodder ist wieder vorzeigbar.«
»Gut«, kommt es aus Kikis Zimmer zurück.
Ich beschließe, in die Küche zu gehen und einen Kaffee zu kochen. Okay, in Wahrheit wäre mir eher mal wieder nach einem Glas Rotwein, aber nachdem wir gefühlte fünfzig leere Flaschen entsorgt haben, ist mir mit Schrecken klargeworden, dass es so nun wirklich nicht weitergehen kann. Auf dem Weg in die Küche werfe ich einen Blick durch Kikis Schlafzimmertür: Stefan liegt auf Kikis Bett und rührt sich nicht. Sieht irgendwie komisch aus. Ich ändere also meinen Plan und setze mich neben ihn. Als er sich zu mir umdreht, sehe ich, dass er geweint hat. Normalerweise wäre mir diese Situation unangenehm, aber was ist in diesem Moment schon normal?
»Ich koche mir einen Kaffee. Möchtest du auch einen?«
Stefan schluckt und nickt. »Ja, gern. Aber ein Grog wäre auch nicht schlecht.«
Ich lächle. »He, ich dachte, ich wäre der einzige Alkoholiker hier! Du hast schließlich mein Flaschenarsenal gesehen.«
»Das war in der Tat ganz beachtlich«, erwidert er. »Aber ich kann’s auch verstehen, und nachdem wir jetzt die Aufräumaktion hinter uns gebracht haben, wäre ich für ein Schlückchen durchaus zu haben.«
»Na ja«, meine ich und registriere, dass ich meine guten Vorsätze nur zu gern sofort wieder über Bord werfe, »ich wollte es ab heute eigentlich gut sein lassen, aber vermutlich wäre es ein würdiger Abschluss, wenn wir den zwei Flaschen Champa-gner, die noch von meinem Geburtstag übrig sind und im Kühlschrank liegen, in einem feierlichen Akt den Garaus machen.«
»Klingt gut.« Stefan versucht sich an einem schiefen Lächeln. »Kiki wäre vermutlich begeistert.«
Stimmt, das wäre sie vermutlich wirklich.
Als ich eine Minute später mit einer Flasche und zwei Glä
sern ins Schlafzimmer zurückkomme, sieht Stefan schon ein bisschen besser aus. Mit einem gekonnten ›Plopp‹ öffnet er die Flasche, schenkt ein und reicht mir ein Glas.
»Auf Kiki!«
Wir prosten uns zu. Dann lehrt Stefan sein Glas ziemlich entschlossen in einem Zug und gießt sofort nach. Oha! Da ist wohl noch einiges zu erwarten.
Stefan sieht meinen Blick und grinst. »Sagtest du
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