Goldstück: Roman (German Edition)
lächeln uns an. Und dann, als wäre es das Natürlichste der Welt, nimmt er meine Hand, drückt sie kurz und lässt sie wieder los.
»Das war wirklich ein toller Tag«, stellt Daniel Unverzagt fest, als wir abends um kurz nach sieben vor meiner Wohnung in der Lutterothstraße halten.
»Ja«, stimme ich zu, »mir hat es auch viel Spaß gemacht.«
Er schaltet den Motor aus, schnallt sich ab und dreht sich zu mir. »Hätte nicht gedacht, dass ich so ein Achterbahnfan bin.«
Ich muss schmunzeln. »Mir ist jetzt noch ganz schwindelig, wenn ich nur daran denke.«
»Und ich spüre noch meinen steifen Hals von dem Katapultstart im Desert Race.« Er reibt sich mit einer Hand über den Nacken. »Das Ding war wirklich unglaublich.«
»Kann man wohl sagen.« Ich kichere.
Danach sagen wir beide erst einmal nichts mehr und hängen unseren Gedanken nach. Wobei ich mich frage, worüber Daniel wohl gerade sinniert. Über die kurzen Momente, in denen ein deutliches Kribbeln zwischen uns zu spüren war – oder eher über mein pseudowissenschaftliches Gebrabbel, das ich zwischendurch immer mal wieder eingeflochten habe. Ich muss gestehen, dass ich ganz froh darüber war, als Daniel irgendwann meinte, ihm würde mittlerweile der Kopf rauchen und wir sollten es für heute gut sein lassen und lieber noch ein paar Runden Desert Race fahren. Hätte er das nicht getan, hätte ich mich nämlich nur noch wiederholen können, mit meinen neu angelesenen Erkenntnissen war ich schneller am Ende, als ich dachte. Aber glücklicherweise hat es gerade eben so gereicht.
Nach einer Weile räuspert sich Daniel. »Ich bin schon sehr gespannt, was morgen auf dem Programm steht.«
Schade. Er sinniert über das Coaching. Schlagartig spüre ich wieder ein flaues Gefühl im Magen. Denn damit spricht er genau das an, worüber ich mir zwischendurch immer mal wieder Gedanken gemacht habe. Was zum Teufel soll ich morgen nur mit ihm anstellen? Den heutigen Tag habe ich mit Ach und Krach überstanden, aber morgen folgt noch ein ganzer, langer Tag, und ich habe keine Ahnung, wie ich ihn rumbringen soll. Ein zweites Mal in den Heide-Park mit »Friede-sei-mit-dir«-Übungen scheidet wohl aus, Hafenrundfahrt oder ein paar Mu
seumsbesuche kann ich ihm auch nur schlecht als Coaching verkaufen, also muss mir da dringend noch was einfallen.
Für einen kurzen Moment habe ich sogar überlegt, ihn morgen früh einfach anzurufen, eine schwere Grippe, die mich über Nacht heimgesucht hat, vorzutäuschen und den nächsten Termin auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verlegen – aber allein ein Blick in Daniels große Augen reicht, um diese Alternative auszuschließen. Ich will ihn einfach so schnell wie möglich wiedersehen, und bisher hat er ja alles brav geschluckt, was ich ihm verkauft habe.
»Das werden Sie dann schon sehen, Herr Unverzagt«, erwidere ich, »heute verrate ich natürlich noch nichts.«
»Daniel«, sagt er.
»Wie bitte?«
»Ich finde, Sie sollten mich Daniel nennen. Immerhin sind Sie meine todesmutige Achterbahn-Partnerin.« Schon wieder bildet sich dieses hinreißende Grübchen in seiner Wange, als er mich anlächelt.
»Oh, ja, okay, Daniel also.« Etwas verlegen schnalle ich mich nun ebenfalls ab und mache Anstalten, auszusteigen. »Dann sehen wir uns also morgen um zehn.« Ich lege meine Hand auf den Türgriff.
»Sagen Sie …«
»Ja?«
»Darf ich dann auch Kirsten zu Ihnen sagen?«
»Äh …« Mist. Kirsten. Bisher konnte ich mir ja noch einreden, dass ich schließlich auch Schäfer heiße und hier nur ein klitzekleines Missverständnis vorliegt. Aber spätestens in diesem Moment müsste ich Daniel wohl reinen Wein einschenken. Dass ich nämlich leider nicht Kirsten Schäfer, sondern Maike Schäfer bin. Und dass ich genau genommen auch nichts mit Coachings am Hut habe.
Ich atme einmal tief ein und aus, dann versuche ich, zu einer
Erklärung anzusetzen. Aber ich bringe einfach kein Wort heraus, schaffe es nicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Denn so viel ist klar: Die Wahrscheinlichkeit, dass Daniel lachend darüber hinwegsieht, dass ich ihn – nun ja, nennen wir das Kind ruhig beim Namen – verarscht habe, halte ich für nicht sonderlich groß. Nein, ich muss das jetzt durchziehen, und sollte ich ihn nach diesem Coaching-Wochenende noch einmal wiedersehen, was ich natürlich schwer hoffe, wird mir schon irgendwann eine Lösung einfallen. Auch das hoffe ich jedenfalls schwer. »Ja«, sage ich, »sicher dürfen Sie mich Kirsten
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