Goldstück: Roman (German Edition)
Stelle bekommen habe?«
»Klar«, sage ich, »Nadine hat oft genug erzählt, wie begeistert du darüber bist, Leiter des Serviceteams zu sein.«
»Tja«, er lacht sarkastisch auf. »Nur leider war das schon gelogen.«
»Du warst gar nicht Leiter des Serviceteams?«
»Nicht nur das. Es hat diesen Job nie gegeben. Die ganze Firma gibt es nicht.«
»Äh, wie jetzt?«
»Die Wahrheit ist, dass ich vor einem halben Jahr gekündigt wurde. Ich rede jetzt von meinem alten Job, da haben sie mich rausgeschmissen, weil ich Mist gebaut habe.«
»Was denn für Mist?«
»Das ist jetzt egal, jedenfalls hat es für einen fristlosen Rauswurf gereicht.«
»Aha. Und dann?«
»Ich habe mich nicht getraut, es Nadine zu sagen. Habe mich wie ein totaler Versager gefühlt und wollte sie einfach nicht enttäuschen. Du weißt doch, wie sehr sie sich ein Kind wünscht – und dann wird ihr Kerl auf einmal gefeuert. Wie soll ich denn da noch eine Familie ernähren?«
»Aber das hättest du ihr doch sagen können!«
Ralf zuckt mit den Schultern. »Mittlerweile wünschte ich auch, ich hätte es getan. Aber jetzt steckt der Karren eben im Dreck.«
»Wie ging es denn dann weiter?«
»In meiner Panik hab ich ihr einfach die Sache mit der neuen Stelle erzählt. Ich musste ja irgendwie erklären, warum ich in meiner alten Firma nicht mehr zu erreichen bin. Dann habe ich mir ein zweites Handy gekauft und behauptet, das hätte ich
von meinem neuen Arbeitgeber bekommen und dass sie mich in Zukunft immer dort anrufen solle.«
Ich kann kaum glauben, was Ralf mir da erzählt – das ist ja wirklich mehr als eine handfeste Lüge! Gleichzeitig vernehme ich eine unschöne Stimme in meinem Hinterkopf, die mir zuflüstert, dass ich selbst gerade auch nicht viel besser bin. Ich schiebe den Gedanken beiseite, im Moment geht es schließlich um Ralf und Nadine. »Dann bist du eigentlich schon die ganze Zeit ohne Job.«
Ralf nickt. Das erklärt auch, warum es ihm so schlechtgeht – wir reden also nicht von sechs Wochen, sondern eher von einem Dreivierteljahr ohne Arbeit. Das haut natürlich ganz schön rein.
»Ein halbes Jahr lang bin ich jeden Tag morgens aus dem Haus und habe mich in der Stadt rumgetrieben. Habe in Cafés gesessen und Stellenanzeigen gelesen, war bei zig Zeitarbeitsfirmen und ständig beim Arbeitsamt. Wenn Nadine mich anrief, habe ich jedes Mal so getan, als wäre ich gerade total im Stress.«
»Scheiße, Ralf! Das ist echt keine schöne Geschichte.«
»Ich weiß. Ich habe ja auch immer gedacht, dass ich bestimmt bald was Neues finde und dann alles wieder in Ordnung kommt. Aber je mehr Zeit verging, desto panischer wurde ich. Schließlich bekomme ich nicht ewig Arbeitslosengeld, in wenigen Monaten drehen sie mir den Hahn zu. Bloß gut, dass Nadine bisher noch nicht schwanger geworden ist.« Er macht ein düsteres Gesicht. »In letzter Zeit haben wir natürlich auch nicht mehr miteinander geschlafen, was Nadine sicher auch auf sich bezogen hat. Aber ich konnte nicht anders!«
»Scheiße«, wiederhole ich noch einmal. Das ist in der Tat kein kleines, sondern ein großes Problem.
»Irgendwann habe ich es dann nicht mehr ausgehalten, Nadine so zu belügen und ihr im Bett immer aus dem Weg zu ge
hen, dazu ihr verletzter Blick, weil sie natürlich nicht verstehen konnte, was überhaupt los ist. Ständig hatte ich ein schlechtes Gewissen, ich konnte ihr gar nicht mehr in die Augen schauen. Dann fing sie damit an, dass sie auch mal meine neuen Kollegen kennenlernen und mich in der Firma besuchen wollte – da ist mir nichts anderes eingefallen, als zu behaupten, dass sie mich in der Probezeit rausgeschmissen haben.«
»Verstehe.«
»Tja, und dann wurde es immer schlimmer. Ich wollte es Nadine beichten, aber ich hab’s eben nicht geschafft. Weißt du, wenn man sich erst einmal haltlos in so etwas verstrickt hat, ist es gar nicht so leicht, da wieder rauszukommen.«
Natürlich weiß ich, dass Ralf keine Ahnung hat, was ich gestern und heute veranstaltet habe. Aber irgendwie kommt es mir gerade so vor, als würde er diesen kleinen Vortrag exklusiv für mich halten. Wie eine Warnung, dass ich das, was ich als angebliche Kirsten Schäfer angezettelt habe, so schnell wie möglich beenden sollte. Ich nehme mir fest vor, den Tag morgen einfach noch durchzuziehen und es danach gut sein zu lassen. Ist zwar schade, dass ich Daniel Unverzagt dann wohl nie wiedersehen werde – aber lieber so als in so eine Situation kommen wie die, in
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