Goldstück: Roman (German Edition)
Daniel ein und nippt an seiner Kaffeetasse.
Ich lasse mich dadurch erstaunlicherweise nicht aus dem Konzept bringen, sondern erzähle einfach weiter das, was ich mir gestern überlegt habe. »Wie auch immer«, sage ich, »scheint mir das der Hauptpunkt zu sein, an dem wir arbeiten
sollten. Ihre Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, dass Sie ihnen vertrauen. Und vor allem, dass Sie ihnen etwas zutrauen.«
»Tut mir leid«, unterbricht er mich wieder, »aber ich kann ja anhand der Zahlen genau sehen, wenn jemand Mist gebaut hat. Dann muss ich natürlich auch das entsprechende Feedback geben.«
Herrje, der Kerl ist wirklich eine harte Nuss. Ich merke, wie ich wieder leicht ins Rudern komme, weil ich keine Ahnung habe, was ich darauf erwidern soll. »Herr Unverzagt«, versuche ich es mit Bestimmtheit in der Stimme. »Vielleicht lassen Sie mich erst einmal ausreden, bevor Sie mir ständig ins Wort fallen? So etwas ist nämlich genau das, was ich meine. Bevor ich überhaupt dazu komme, Ihnen etwas zu erklären, lehnen Sie es bereits ab.«
Schlagartig tritt ein schuldbewusster Ausdruck auf sein Gesicht, das hat offenbar gesessen. »Tut mir leid«, meint er kleinlaut.
»Feedback«, fahre ich fort, »ist natürlich wichtig. Aber es kommt immer auf die Art und Weise an, wie man es gibt. Wenn Sie jemanden zusammenstauchen, können Sie zum einen nicht erwarten, dass er Sie als besonders angenehmen Vorgesetzten betrachtet, zum anderen nicht, dass er es in Zukunft besser macht.«
»Wieso …«, setzt Daniel Unverzagt an, aber ich bringe ihn mit einem strengen Blick zum Schweigen.
»Negatives Feedback verunsichert Menschen, und verunsicherte Menschen machen nur noch mehr Fehler.« Da spreche ich leider aus eigener Erfahrung, denn der strenge Blick, den meine Eltern stets auf mich hatten, hat ja ganz offensichtlich auch nicht dazu geführt, dass ich mich zu einem absoluten Überflieger entwickelt habe. »Versuchen Sie daher in Zukunft, Ihren Mitarbeitern Kritik auf möglichst positive Art und Weise nahezubringen. Vermitteln Sie ihnen das Gefühl, dass Sie ihnen vertrauen.«
Jetzt verfinstert sich die Miene meines Gegenübers, und er seufzt. »Wissen Sie, Frau Schäfer, mit Vertrauen habe ich, ehrlich gesagt, ziemlich große Schwierigkeiten. Ich bin schon recht oft in meinem Leben enttäuscht worden, deshalb fällt mir das eher schwer.«
»Meinen Sie jetzt im privaten oder im beruflichen Bereich?«, frage ich nach, korrigiere mich aber schnell, als ich seinen überraschten Gesichtsausdruck bemerke. »Tut mir leid, das geht mich ja nun wirklich nichts an. Alles, was ich Ihnen sagen will, ist Folgendes: Wenn Sie Ihrem Team das Gefühl vermitteln, dass Sie ihm etwas zutrauen, steigen die Chancen, dass Ihre Ansprüche auch erfüllt werden, ungemein.«
»Wenn Sie meinen.« Noch immer klingt er nicht wirklich überzeugt.
»Glauben Sie mir einfach«, stelle ich fest und füge dann frech hinzu: »Ich habe damit schließlich schon ein paar Jahre Erfahrung.« Maike, Maike, ermahne ich mich selbst, jetzt werd bloß nicht zu übermütig und übertreib es.
»Gut, ich werde versuchen, in Zukunft ruhiger und nicht mehr so aufbrausend zu sein, wenn mich einer meiner Mitarbeiter aufregt.«
Ha, perfekt! Mein Einsatz, da kann ich doch gleich mal eine kleine praktische Übung machen. »Versuchen Sie«, fange ich an, »in Konfliktsituationen demnächst mal Folgendes: Atmen Sie tief ein und senden Sie dem Mitarbeiter, um den es geht, in Gedanken ein ›Friede sei mit dir‹.«
»Friede sei mit dir?« Daniel Unverzagt guckt in etwa so, wie ich gestern wahrscheinlich ausgesehen habe, als ich darüber gelesen habe.
»Genau«, bestätige ich. »Denn unbewusst kommt das bei Ihrem Gegenüber an, was sofort für eine bessere, friedlichere Stimmung sorgen wird.«
»Das kann ich mir jetzt nicht so gut vorstellen.«
»Ist aber so«, behaupte ich. Und gehe dann noch einen Schritt weiter: »Haben Sie schon einmal überlegt, dass jemand, der Sie total aufregt, Sie in Wahrheit spiegelt?«
»Mich spiegelt?« Wieder ein verständnisloser Blick.
»Ja«, bestätige ich. »Meistens«, führe ich mein angelesenes Wissen weiter aus, »gehen sich Menschen gegenseitig auf die Nerven. Das heißt also, in dem Moment, in dem ein Mitarbeiter Sie durch irgendetwas auf die Palme bringt, geht es Ihrem Gegenüber nicht anders.«
»Sie wollen sagen, ich provoziere das?«, fragt Daniel ungläubig nach. »Aber ich bin schließlich …«
»Der Vorgesetzte«,
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