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Goldstück: Roman (German Edition)

Goldstück: Roman (German Edition)

Titel: Goldstück: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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unterbreche ich ihn und frage mich gleichzeitig, ob ich mich gerade ein wenig zu weit aus dem Fenster lehne. Aber egal, Daniel Unverzagt soll schließlich auch etwas für sein Geld bekommen. »Menschliche Beziehungen beruhen immer auf Wechselwirkungen: Sie regen sich über einen Mitarbeiter auf und zeigen ihm das – im Gegenzug spiegelt er Sie und lässt Sie dadurch spüren, dass er sich ebenfalls gerade total aufregt.«
    »Hm.« Mehr sagt er nicht, aber ihm ist anzusehen, dass er darüber tatsächlich gerade nachdenkt. Na also, doch kein hoffnungsloser Fall!
    »Deshalb«, erkläre ich weiter, »können Sie mit einem ›Friede sei mit dir‹ die negative Dynamik stoppen und ein bisschen Druck aus der Situation nehmen, indem Sie dafür sorgen, dass die Anspannung zwischen Ihnen und Ihrem Gesprächspartner nachlässt.«
    »Merkt er das denn überhaupt?«, hakt Daniel nach. »Meine Mitarbeiter können doch keine Gedanken lesen!«
    »Sie werden es spüren«, erwidere ich. »Moment, ich zeig’s Ihnen mal«, meine ich dann, stehe auf und bedeute Daniel, sich ebenfalls zu erheben. »So.« Ich stelle mich direkt vor ihn. »Sehen Sie mich an.« Er blickt mir direkt in die Augen, und ich
    denke: Friede sei mit dir . »Und?«, will ich wissen. »Ist bei Ihnen etwas angekommen?«
    Er zuckt die Schultern. »Schwer zu sagen«, meint er. »Sie sind ja auch nicht sauer auf mich, oder?«
    Ich muss lachen. »Nein, das bin ich natürlich nicht.«
    »Dann sollten wir uns vielleicht mal kurz streiten?«, schlägt er vor und lacht nun ebenfalls.
    Mein Gott, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser unglaubliche Mann auch mal so richtig ausflippen kann. Wenn doch, sieht er wahrscheinlich sogar mit Schaum vorm Mund noch großartig aus.
    »Probieren Sie es jetzt mal bei mir. Sehen Sie mich an und schicken Sie mir ein ›Friede sei mit dir‹.«
    Daniel Unverzagt räuspert sich, schließt einmal kurz die Augen, dann heftet er seinen Blick auf mich. Schweigend stehen wir voreinander, ich kann meinen Blick gar nicht von seinen großen, dunklen Augen abwenden und habe fast das Gefühl, jeden Moment darin zu versinken. Unwillkürlich beuge ich mich ein Stück zu ihm vor und habe den Eindruck, dass auch er mir näher kommt. Mein Herzschlag beschleunigt sich, ich spüre, wie meine Handflächen schwitzig werden, meine Knie zittern, und ein bisschen schwindelig ist mir auch.
    Ich habe keine Ahnung, wie lange wir so dastehen, aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Eine sehr angenehme Ewigkeit. Nicht mal den Lärm um uns herum nehme ich wahr, auch nicht die anderen Menschen im Café, nicht die Schreie, die bis eben noch von den diversen Fahrgeschäften zu uns hallten. Daniel Unverzagt beugt sich noch ein Stückchen zu mir herüber, ich kann seinen Atem auf meinem Gesicht spüren und frage mich, ob jetzt nicht der Zeitpunkt gekommen ist, diese kleine Übung zu beenden. Aber ich kann nicht, ich bin wie hypnotisiert. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, dass er eine Hand hebt. Langsam und ganz vorsichtig streicht er mir über eine Wange, so
    sanft, dass ich es kaum spüren kann. »Ähm«, mit einem Ruck nimmt er seine Hand wieder weg und wirkt regelrecht erschrocken. Augenblicklich ist der Zauber des Moments vorbei.
    »Das … das tut mir leid, ich, ich wollte nicht …«
    »Kein Problem«, erwidere ich und kichere nervös. Meine Wange scheint glühend heiß, wahrscheinlich bin ich gerade knallrot im Gesicht.
    »Ich wollte wirklich nicht …«, setzt Daniel wieder an, verstummt dann aber.
    »Sehen Sie«, schaffe ich es irgendwie, mich wieder in den Griff zu bekommen, und versuche, möglichst gelassen zu klingen, »ich habe Ihnen ja gesagt, dass diese Methode eine erstaunliche Wirkung auf Ihre Mitmenschen hat.«
    »Ja.« Er wirft mir einen seltsamen Blick zu. »Das habe ich gerade auch gemerkt.«
    »Nun«, meine ich, »dann würde ich sagen: Auf zur nächsten praktischen Übung – Desert Race! Da wird man in zwei Komma vier Sekunden von null auf hundert Stundenkilometer katapultiert, das gleicht einem Formel-1-Start. Danach ist der Kopf wieder frei für den nächsten theoretischen Teil.«
    Während wir nebeneinander Richtung Desert-Race-Bahn spazieren, spüre ich noch immer ein leichtes Zittern in den Beinen. Von null auf hundert in weniger als drei Sekunden – meinem Herzen ist gerade etwas ganz Ähnliches passiert. Verstohlen mustere ich Daniel Unverzagt von der Seite und stelle fest, dass er gerade das Gleiche tut. Wir

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