Goldstück: Roman (German Edition)
der Ralf gerade steckt.
»Maike? Hörst du mir noch zu?«
»Äh, ja, sicher«, erwidere ich eilig, »ich habe gerade nur dar-über nachgedacht, was du in deiner Lage am besten tun solltest.«
»Da wäre ich dir echt dankbar, wenn dir was Schlaues einfällt. Ich möchte so gern wieder nach Hause, aber mein schlechtes Gewissen ist mittlerweile so groß, dass ich nicht einmal mehr Nadines Gegenwart ertrage.«
»Hm«, sage ich und denke nach. Wie würde ich reagieren, wenn mein Partner – also, mein hypothetischer Partner – mir erklärt, dass er mir einen riesigen Bären aufgebunden hat?
Wenn ich ehrlich bin, nicht so gut. Überhaupt nicht gut. Wenn ich noch etwas ehrlicher bin, würde ich total ausflippen. Generell war ich noch nie sonderlich gut darin, Dinge gelassen aufzunehmen, die mir nicht gefallen. Ich denke zurück an Gunnars und meine Zeit und muss zugeben, dass ich ihm nicht selten für wesentlich geringere »Vergehen« die Hölle heißgemacht habe. Keine schöne Erkenntnis, aber als Partnerin war ich wohl tatsächlich nicht immer leicht zu ertragen.
Wenn ich gar überlege, was in den letzten Wochen alles passiert ist – wie unwichtig erscheinen mir da auf einmal Dinge, die mich davor tierisch aufgeregt haben. So gesehen trifft das auch auf Ralf und Nadine zu. Okay, er hat sie ziemlich belogen. Aber was soll’s? Die beiden lieben sich, darauf kommt es an, alles andere ist egal. Das Leben ist eben unter Umständen kurz. Genau das erkläre ich Ralf und beende meine Ausführungen mit einem: »Du solltest reinen Tisch machen. Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe.«
»Was, wenn Nadine darauf mit einem Tobsuchtsanfall rea-giert?«
»Dann lass sie toben«, meine ich. »Irgendwann beruhigt sie sich schon wieder.«
»Ich weiß nicht …«
»Ralf, es muss sein. Sie ist deine Frau und hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. Glaub mir, ihr steht das zusammen wesentlich besser durch als du allein. Du musst fest an euch glauben, dann klappt das schon.«
»Fest an uns glauben?«
Ich nicke. »Ja, du musst daran glauben, dass schon bald wieder alles gut ist.« In diesem Moment habe ich eine Idee. »Kennst du das Gesetz der Anziehung?«, will ich wissen. Zum zweiten Mal im Verlauf der letzten achtundvierzig Stunden erkläre ich die Sache mit dem Gleichen, das Gleiches anzieht, außerdem, dass Ralf seine Situation durch seine negativen Gedanken im
mer weiter verschlechtert hat und dass der Ausbruch aus dem Teufelskreis am besten durch radikales Umdenken funktioniert und überhaupt. Mittlerweile scheine ich dabei durchaus überzeugend rüberzukommen, denn Ralf schüttelt nicht ungläubig den Kopf, sondern hängt wie gebannt an meinen Lippen und schreibt jedes meiner Worte auf.
»Du glaubst wirklich, dass es funktioniert, wenn man sich etwas ganz stark wünscht und visualisiert?«
Ich denke an die sechshundert Euro, die in einem Umschlag in meiner Nachttischschublade liegen. Und an Daniel. Denn auch, wenn es mit uns wahrscheinlich nichts werden wird – dass er ein echter Traummann ist, kann ich nicht leugnen. Und er stand wie bestellt vor meiner Tür. Das mit dem Hinknien – na ja, vielleicht habe ich es da in meiner Gier ein bisschen übertrieben. Außerdem wäre es vielleicht auch ein klitzekleines bisschen viel verlangt vom Universum, dass ein wildfremder Mann sich bei meinem Anblick sofort in den Staub wirft.
»Ja«, stelle ich grinsend fest. »Ich glaube es nicht nur – ich weiß es!« Wie schade, dass ich ihm die Geschichte mit Tiedenpuhl, dem Geld und Daniel nicht erzählen kann, aber das würde hier zu weit führen.
»Tja, dann werde ich mich mal auf den Weg machen und mit Nadine reden.«
»Tu das«, ermuntere ich ihn. »Glaub mir, das ist der beste Weg.«
»Hoffentlich hast du recht.«
Nachdem Ralf wieder weg ist, gehe ich rüber in Kikis Büro und schnappe mir einige ihrer Bücher aus dem Regal. Zwar bin ich nach dem aufregenden Tag schon ziemlich müde, aber ein bisschen muss ich mich auf morgen noch vorbereiten, damit mir bei meinem letzten Coaching-Tag mit Daniel Unverzagt nicht auf halber Strecke die Puste ausgeht. Während ich durch diver
se Ratgeber mit Titeln wie Wünsch es dir einfach! oder Grüße vom Universum blättere, erscheint vor meinem geistigen Auge wieder sein Gesicht. Ich denke daran, wie er mich im Heide-Park bei der »Friede-sei-mit-dir«-Übung angesehen hat. Wie er mein Gesicht berührt hat und ich für den Bruchteil einer Sekunde schon dachte,
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