Goldstück: Roman (German Edition)
Hansmann vorzustellen.«
»Ja, ich freue mich auch«, erwidere ich und ärgere mich gleichzeitig ein bisschen darüber, dass Daniel wohl tatsächlich diese Personaltante mitschleppen will. Aber egal, ich habe momentan wirklich größere Probleme. »Wie ich hörte«, frage ich wie beiläufig nach, »haben Sie sich dem Fitnessprogramm von Herrn Gärtner angeschlossen?«
»Stimmt genau«, antwortet er, und ich versuche, herauszuhorchen, ob Daniel irgendwie komisch klingt. Doch er macht einen ganz normalen Eindruck. »Heute früh sind Markus und ich mit Stefan Becker einmal um die Alster gelaufen. Ich muss schon sagen, tut ziemlich gut, den Tag mit Sport zu beginnen.«
»Hm«, kommentiere ich nur. »Hat Ihnen Herr Gärtner …«
»Ja, hat er. Wir haben beide nichts gesagt, Sie müssen sich also keine Sorgen machen.« Er senkt die Stimme. »Wobei ich natürlich zugeben muss, dass ich etwas neugierig bin, warum Stefan Becker nicht wissen darf, dass wir bei Ihnen ein Coaching absolviert haben.«
»Das ist nicht so einfach zu erklären«, meine ich.
»Na ja«, sagt er. »Geht mich ja auch nichts an.« Mir fällt ein Stein vom Herzen, ich bin nicht aufgeflogen! »Hat die Sache etwas mit dem Schild zu tun, das Sie in Ihr Fenster gehängt haben?«, will Daniel nun wissen.
Ich muss lachen. »Eben haben Sie doch noch gesagt, es ginge Sie nichts an.«
»Tut es eigentlich auch nicht«, erwidert er gespielt maulig, »aber neugierig bin ich eben trotzdem.« Er macht eine Pause. »Bin halt nicht mehr der langweilige Zahlenmensch wie früher.«
»Ah, hervorragend. Eindeutig ein Coaching-Erfolg!« Wir müssen beide lachen.
»Na, dann bis morgen!« Daniel klingt jetzt wieder sehr gut gelaunt.
»Genau.« Wir legen auf – und ich danke im Geheimen dem Herrgott auf Knien, dass das gerade noch einmal gutgegangen ist.
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21. Kapitel
F ünf vor acht am Donnerstagabend – ich laufe wie ein aufgescheuchtes Huhn durch meine Wohnung, weil ich so aufgeregt bin, dass ich meinen Lippenstift im Gewühl meines Make-up-Beutels nicht finde, aber das Taxi jeden Moment kommen muss. Ganze viermal habe ich mich in den vergangenen zwei Stunden umgezogen, ich konnte mich einfach nicht für ein Outfit entscheiden. Schließlich will ich sexy aussehen, aber nicht zu sexy, denn das würde diese Frau Hansmann bestimmt irritieren. Ist ja ein Geschäftsessen. Schlussendlich ist es der Klassiker geworden: das kleine Schwarze, das passt immer. Dazu trage ich elegante schwarze Peep-Toes, die ich mal für schmales Geld bei eBay ersteigert habe, die Haare habe ich zu einer Banane hochgesteckt, an meinen Ohren glitzern rote Swarowski-Steine, die exakt zu der Farbe meines Lippenstiftes und meiner roten Clutch passen – oder vielmehr passen würden, denn den Lippenstift habe ich immer noch nicht gefunden. Als es an der Tür klingelt, werfe ich einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel im Flur. Dann eben ohne Lippenstift – stattdessen stopfe ich schnell ein Gloss in meine Tasche. Ist vielleicht sogar besser, nicht zu aufgedonnert.
Eine Viertelstunde später hält das Taxi vor der Terrasse des »Gallo Nero«. Die einladende dunkelrote Markise gibt dem Restaurant eine besonders edle Note – ich hoffe sehr, dass ich mit den zweihundertfünfzig Euro, die ich in bar eingesteckt habe, hinkomme. Schließlich habe ich noch keine EC-, geschweige denn eine Kreditkarte, und es wäre mir doch sehr unangenehm, vom Kellner im Anschluss an das Abendessen zum Tellerspülen in die Küche abkommandiert zu werden.
Es ist ein warmer, sonniger Abend, und noch bevor ich durch
den kleinen, efeubewachsenen Torbogen gehe, sehe ich Daniel an einem der Tische auf der Terrasse sitzen. Gut sieht er aus, sehr businesslike im hellbraunen Anzug, aber auch nicht zu förmlich. Er unterhält sich mit einer extrem hübschen brünetten Mitdreißigerin, die wohl Frau Hansmann sein wird. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich an den Tisch trete.
»Hallo, Daniel!«, begrüße ich ihn, dann lächele ich seine Begleitung an: »Und Sie müssen Frau Hansmann sein.«
Sofort springt Daniel auf und greift nach meiner Hand. »Kirsten, toll sehen Sie aus! Frau Hansmann, das ist Kirsten Schäfer, Kirsten – das ist unsere Personalleiterin Dorothee Hansmann.«
Frau Hansmann lächelt mich an und reicht mir ebenfalls die Hand. »Freut mich. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.« Jetzt lächelt sie noch breiter, allerdings nicht unfreundlich, und ihre tiefbraunen Augen
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