Goldstück: Roman (German Edition)
Gedanken lasse ich mir diesen Moment ganz bestimmt nicht vermiesen.
»Wow«, bringt Daniel japsend hervor, als wir uns nach einer kleinen Ewigkeit voneinander lösen. »Das war ja ein sensationeller Kuss.«
»Ja«, stimme ich ihm zu und merke, dass auch ich völlig außer Atem bin.
»Ich könnte jetzt gut einen Drink vertragen«, meint Daniel und grinst mich an.
»Wenn wir uns entschließen könnten, nur fünf Meter weiter zu gehen, wären wir schon da.«
»Aye, aye, Madam.« Daniel legt seinen Arm um mich, und wir schlendern weiter.
Ich genieße seine Wärme und seinen Geruch, ich persönlich
könnte momentan auch gut dreimal mit ihm um die Alster spazieren. Kalt ist mir jedenfalls überhaupt nicht mehr. Aber nach der nächsten Biegung sind schon die Fackeln zu erkennen, die vor dem »Red Dog« im Rasen stecken, und Daniel steuert zielstrebig darauf zu.
»Da sieht man mal, wie blind ich bisher durchs Leben gegangen bin. Ich dachte immer, das hier sei ein Toilettenhäuschen. Dabei ist es anscheinend eine Bar.«
»Na ja, so ganz falsch hast du nicht gelegen. Das ist hier tatsächlich auch ein Toilettenhäuschen. Aber der Mensch, der es von der Stadt gepachtet hat, hat gleichzeitig die Erlaubnis bekommen, im Nebenraum eine Bar einzurichten.«
»Verrückte Idee!« Daniel schüttelt den Kopf. »Aber irgendwie ist es hier sehr charmant! Ich hole uns mal was zu trinken, was darf ich für dich ordern?«
»Nee, mein Lieber. Jetzt bringe ich dir etwas mit. Was möchtest du denn?«
»Mit einem Mojito wäre ich völlig glücklich. Wenn du nur ganz schnell wieder zurückkommst.«
Zwei Cocktails später ist unsere halbwegs gepflegte Konversation einer wilden Knutscherei gewichen. Einerseits genieße ich diesen Moment, andererseits merke ich den Alkohol auf meinen fast leeren Magen schon deutlich. Vielleicht sollte ich es für heute gut sein lassen und mir ein Taxi rufen? Denn wenn das hier so weitergeht, kann ich bald für nichts mehr garantieren.
»Daniel«, sage ich also und schiebe ihn mit sanftem Druck auf seinen Barhocker zurück, »ich habe morgen einen langen Tag vor mir. Ich glaube, ich muss langsam nach Hause.«
»Och bitte, lass uns noch ein bisschen bleiben!«
»Tut mir leid, aber ich bin schon ziemlich müde.«
Daniel nickt. »Natürlich, du hast recht.« Einen kurzen Moment scheint er über etwas nachzudenken, ehe er weiterspricht.
»Eine Sache muss ich dir aber noch sagen. Ich bin nämlich für Ehrlichkeit von Anfang an.«
Ehrlichkeit? Mit einem Schlag fühle ich mich wieder ziemlich nüchtern. Ehrlichkeit ist unter den momentanen Bedingungen ja nicht wirklich mein Lieblingsthema, und Ehrlichkeit »von Anfang an« erst recht nicht. Mist!
»Was meinst du denn?«, traue ich mich trotzdem mutig nachzufragen.
»Es gibt da noch etwas, was ich dir sagen muss.«
Ich bin verdutzt. Was ER MIR sagen muss? Es geht also um ihn? Oh, nein, was kommt denn jetzt? Hat Daniel vielleicht die ganze Zeit über vergessen, dass er eine Freundin hat? Oder merkt er gerade, dass er mich doch nicht ganz so toll findet, wie er dachte. Oder dass er eigentlich keine Beziehung will oder dass er …
»Also, weißt du, es ist nämlich so«, unterbricht Daniel meine düsteren Gedanken und holt tief Luft. Ich wusste es – dieser tolle Mann hat bestimmt einen gewaltigen Haken! Wie könnte es auch anders sein? So einer wie er ist viel zu schön, um wahr zu sein! »Es ist mir total unangenehm, aber die Wahrheit muss raus.« Ich merke, wie mein Hals ganz trocken wird. »Dorothee Hansmann ist gar nicht unsere Personalchefin.«
»Ist sie nicht?«, wundere ich mich.
»Ja, also genau genommen arbeitet sie überhaupt nicht bei uns.«
Hä? Jetzt verstehe ich allerdings nur noch Bahnhof.
»Weißt du, als ich dich gefragt habe, ob wir mal essen gehen, hast du so komisch reagiert, und ich dachte schon, dass du mir gleich garantiert einen Korb gibst. So von wegen Professionalität und so. Aber ich wollte dich unbedingt wiedersehen. Tja, und da habe ich mir einfach ganz schnell die Geschichte mit der neuen Personalchefin ausgedacht.«
Ich muss lachen.
»Das alles hast du dir ausgedacht, um mich noch einmal zu sehen?« Wie niedlich. Er wird ganz rot. Jedenfalls, soweit ich das bei dieser Beleuchtung beurteilen kann.
»Ja, ich weiß. Blöde Idee«, erwidert er zerknirscht.
»Und wer ist dann diese Frau Hansmann in Wirklichkeit?«, will ich wissen.
»Meine Schwester«, erklärt Daniel und blickt verlegen zu Boden.
»Deine
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