Golem - Schicksalstraeger
geweigert der Schicksalsträger von diesem miesen Prophezeiungssüppchen zu sein. Doch hatte sie mich eingeholt, irgendwann.
Allein das Wissen darum erdrückte mich, unterwarf mich in unsichtbare Ketten. Ich fühlte mich unfrei und nicht mehr als ich.
Dabei brauchte ich meine Freiheit. Wie schon so oft auf meinem Weg dieser Geschichte sehnte ich mich, unbekümmert und gedankenlos zu trotten. Hier-und dorthin zu gehen. Wieder tastete meine Hand nach Prophet, meiner Begleiterin seit eh und je.
Dieses Mal ließ ich meine Hand jedoch auf meiner verwaisten Schulter ruhen, als könnte das etwas ändern. Irgendwie musste ich mit diesem Kapitel abschließen. Es war schließlich Prophet gewesen, die sich freiwillig geopfert hatte. Aber das spendete keinen Trost und vermochte mir nicht die Schuld zu nehmen. Außerdem erinnerte es mich wieder an die Worte der Wölfin. Meine Aufgabe war diese dumme Prophezeiung. Prophets Tod war nur eine weitere Last, die damit einherging. Wenn ich nur wüsste, warum ihr mein Leben wichtiger gewesen war, als ihr eigenes. Sie war schließlich die Botin gewesen, Herrgott noch eins!
Rufe durchbrachen meine Gedanken.
»Merlin bleib hier!« Mehrfach riefen sie ihn. Ich hörte Fußgetrappel näherkommen. Ein Knabe flitzte zu mir und entrann jedem Griff. Knirps, gerade er tauchte vor mir auf.
Außer Atem stand er einen Augenblick unsicher am anderen Ende des Feuerplatzes. Er wandte seinen Blick um, als er neuerlich seinen Namen hörte. Doch bevor die Älteren ihn erreichten, schritt er langsam auf mich zu.
Beschämt sah ich eine Schramme auf seiner Wange klaffen und aufgeschlagene Knie und wusste, dass das mein Werk gewesen war.
Ich sah Furcht in seinen Augen. Je näher er mir kam, desto größer wurde sie. Schließlich setzte er sich in gebührenden Abstand, jedoch nah genug, dass die Älteren es nicht wagten ihm zu folgen.
Er warf mir wieder und wieder ängstliche Blicke zu, bevor er sich traute mich anzusprechen.
»B-Bist du b-böse?«, fragte er stockend. Ich schüttelte den Kopf.
»Und … und w-warum hast du d-das dann gemacht?« Einem Knirps darauf zu antworten war nicht mein Ding. Ich hatte bisweilen nie viel Zeit mit Kindern verbracht, um nicht zu sagen keine. Und so fühlte ich mich überfordert kindgerecht oder überhaupt zu antworten. Nichtsdestotrotz versuchte ich es.
»Ich …«, ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf, »wollte nicht so heftig reagieren«, sagte ich. »Tut mir leid«, setzte ich nach.
»Aber warum h-hast du es dann?«, fragte er und verlor mehr und mehr seine Scheu. Er war einfach zu neugierig, um seiner Angst zu lange nachzuhängen, dachte ich.
»Weil ich Angst hatte«, versuchte ich neuerlich eine ausreichende Antwort zu formulieren.
»Warum?«
»Hmm, du hast mir erzählt, dass meine Freundin Silvana krank ist …« Er nickte langsam.
»Und da bin ich zu ihr und habe sie gefragt was los ist. Und sie hat mir erklärt, dass sie nicht ganz gesund ist, aber die anderen sie auch nicht bei sich haben wollten. Und als ich das dann gehört habe, bin ich mit ihr zusammen rausgegangen und habe versucht mit den anderen zu reden. Aber sie haben mir nicht richtig zugehört und stattdessen haben sie uns bedroht und ich hatte Angst um sie und wollte sie schützen.« Ich weiß nicht, ob der Knirps meine Ausführung wirklich verstand, doch mehr sagte ich nicht dazu. Er seufzte.
Eine Weile saß er noch schweigend da.
»Aber die Großen haben Angst vor dir«, sagte Knirps schließlich.
»Ich weiß.« Der Knirps schüttelte den Kopf. Kabbelte schließlich ganz nah zu mir rang noch einen Moment mit sich und lehnte sich dann gegen mich. Was das sollte, fragte ich mich unweigerlich. Hatte der Kleine kein zu Hause, wo er bleiben konnte? Und wo war seine Scheu auf einmal?
»Weißt du ich brauch immer ein bisschen um zu sehen«, flüsterte er, als würde er mir ein Geheimnis verraten.
»Du«, er sah mich mit schräg gestelltem Kopf an, »bist kein Wolf.« Mit diesen Worten kuschelte er sich noch fester an mich, dabei war ich doch steinhart!
»Wo sind deine Eltern?«, fragte ich.
»Nicht hier«, antwortete er schlicht.
Ich seufzte. Am liebsten hätte ich mich dünn gemacht.
Meine Gedanken flohen. Ich entsann mich an einem verregneten, dunklen Tag. Matsch und Moder klebte an meinen Füßen. Meine Schritte patschten. Der Regen trommelte auf dem Dach der Erde. Wind zischte durch die Blätter, brachten sie zum klingen. Es war ungemütlich für manch einen. Für mich war es
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