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Golem stiller Bruder

Golem stiller Bruder

Titel: Golem stiller Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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Handwerker ihrem Gewerbe nach. Überall wurde gehämmert, gesägt, genäht und lautstark angepriesen. Und immer wieder tauchten Hunde und Katzen auf, liefen zwischen den Beinen der Menschen herum und suchten nach Abfällen, und vor einer Händlerin, die Hirse, Getreide und Hülsenfrüchte verkaufte, hüpften Spatzen auf dem Pflaster und zankten sich um die beim Abwiegen zu Boden gefallenen Körner. Ihre Füße hinterließen krakelige Spuren im Staub, die wie fremde Schriftzeichen aussahen.
    Jankel blieb vor einer Schmiede stehen, in der ein Kutscher gerade sein Pferd beschlagen ließ. »Bei uns zu Hause, im Nachbardorf, haben wir auch einen Schmied«, erzählte er und schaute sehnsüchtig in die Flammen, in die der Schmied das Eisen hielt, bevor er es auf den Huf des Pferdes drückte. Der Gestank des verbrannten Horns mischte sich mit dem Geruch von gebratenem Fett aus den Garküchen, von Fischen und den vielfältigen Gerüchen der Menschen.
    »Ich durfte immer Schumele hinbringen, die Stute meines Vaters, wenn sie beschlagen werden musste«, sagte Jankel, als Jente ihn weiterzog. »Bei einem Schmied hätte ich gerne gearbeitet, aber für einen Schmied bin ich nicht stark genug. Um Schmied zu werden, braucht man kräftige Muskeln und einen breiten Rücken.« Er hob seine schmächtigen Schultern, ließ sie wieder fallen und blieb vor einem Flickschuster stehen. »Meine Schuhe sind auch zerrissen«, sagte er und fügte entschuldigend hinzu: »Sie waren schon nicht neu, als wir uns auf den Weg gemacht haben, sie haben früher meinem Vater gehört.«
    »Später«, sagte Jente beruhigend, »später lassen wir deine Schuhe reparieren.«
    Das Mädchen machte sich von Jentes Hand frei und lief auf die andere Straßenseite, wo etliche Händler Obst und Gemüse feilboten. Es gab hier Früchte, die die Kinder noch nie gesehen hatten und deren Namen sie noch nicht einmal kannten. Eine Bäuerin, offenbar keine Jüdin, hatte einen großen Korb mit zwei fetten, laut gackernden Gänsen vor sich stehen, daneben einen kleineren mit Eiern. Hausfrauen kauften Fische, Gemüse, Töpfe, Besen und Körbe. Und viele Menschen liefen ohne ersichtliches Ziel herum, Kinder, junge Leute, und dazwischen immer wieder Talmudschüler, die an ihrer Kleidung zu erkennen waren und daran, dass sie die Köpfe gesenkt hielten, vielleicht, um sich von den vielen Eindrücken, den Gerüchen und der lärmenden Betriebsamkeit nicht von ihren frommen Gedanken ablenken zu lassen.
    »Bei uns zu Hause gibt es nur ganz wenige Häuser aus Stein, und in denen wohnen keine Juden, nur Christen«, sagte Jankel, als sie den Dreibrunnenplatz überquerten. Er deutete auf ein großes, breites Haus mit behauenen Fenstersimsen und einem geschnitzten Holztor, durch das gerade ein vornehm gekleideter Herr trat, begleitet von einem Diener. Der Herr ging auf eine wartende Kutsche zu, der Diener riss die Tür auf und half ihm hinein, dann stieg er zu dem Kutscher auf den Bock. Der Kutscher knallte mit der Peitsche und die Pferde setzten sich in Bewegung.
    Jente verneigte sich, als die Kutsche an ihnen vorbeifuhr, erst dann sagte sie: »Hier bei uns sind auch nicht alle Häuser aus Stein, die meisten sind aus Holz. Aber du hast recht, dieses Haus hier ist wirklich prächtig. Es gehört Reb Meisl, dem reichsten Juden der Stadt.«
    »Ich weiß, bei dem werden sogar die Pferdeäpfel zu Gold«, rief Rochele laut. »Und seine Taler werfen Junge wie die Mäuse des Müllers nach einer reichen Ernte.«
    Jente hielt ihr den Mund zu und zog sie weiter. »Sprich nicht so laut«, mahnte sie, als sie außer Hörweite von Reb Meisls Haus waren. Sie beugte sich zu den Kindern und flüsterte: »Mit seinem Reichtum geht es nicht mit rechten Dingen zu. Man sagt, er verdanke ihn übernatürlichen Mächten.«
    Rochele riss die Augen auf und Jankel griff nach Jentes Arm. »Du meinst, er hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen?«, wollte er wissen.
    Jente schüttelte den Kopf. »Nein, nein, das nicht. Reb Meisl ist ein frommer Mann, mit dem Herrscher der Unterwelt hat er nichts zu tun.«
    »Erzähl doch«, drängte Jankel, der geheimnisvolle Geschichten liebte. Aber Jente lehnte es ab, sie machte ein Gesicht, als bedauere sie, überhaupt damit angefangen zu haben. Stattdessen zählte sie auf, was Reb Meisl, Primas der Gemeinde, Vater der Armen und unerschöpflicher Wohltäter seines Volkes, schon alles für die Prager Judenstadt getan hatte: Er hatte die schmutzigen Straßen pflastern lassen, ein

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