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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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Freilassung aus seiner Gefangenschaft zu bitten. Schaalman hatte schon erlebt, wie Geister ihre Wirte an der eigenen Zunge ersticken ließen, nur um ihre Freiheit wiederzuerlangen. Wenn er sich nicht um diesen Missetäter kümmerte, bekäme er nur Kauderwelsch zu hören.
    Schaalman wägte seine Möglichkeiten ab. Das schnellste Verfahren wäre, das Ding zu exorzieren, und die Sache hätte sich, aber es war keine sanfte Prozedur. Der Mann würde sich bestimmt daran erinnern. Jede Chance zu einer unaufdringlichen Befragung wäre damit vertan.
    Aber er war so weit gekommen, so nah an der Lösung des Rätsels! Und der Mann war kein hochgeschätzter Rabbi, sondern ein ungewaschener Stadtstreicher, wahrscheinlich halb wahnsinnig aufgrund der Besessenheit. Wer würde die Wahrheit glauben, wenn er sie erzählte? Und konnte Schaalman es sich leisten, das Risiko nicht einzugehen?
    Er legte dem Mann die Hände seitlich ans Gesicht und wappnete sich.
     
    Mahmoud Saleh wusste nur, dass irgendjemand irgendwo schrie.
    Eine Hand drang in seinen Kopf ein, tastete suchend, die Finger glitten zwischen Schichten seines Verstandes und seiner Erinnerung. Saleh stand steif und dumpf da, während sich die Hand tiefer und tiefer in seinen Kopf grub. Dann hielt sie still, und die Finger schlossen sich um etwas Kleines, Unsichtbares und packten es mit eiserner Faust; und dann zog sie es langsam, geduldig heraus wie einen schreienden Teufelsapfel aus der Erde.
    Saleh wollte sich auf den Boden werfen, aber die papierenen Hände hielten ihn aufrecht. Sie bewegten sich, und jetzt öffneten lange trockene Finger seine Augenlider.
    Mahmoud Saleh blickte dem Mann ins Gesicht.
    Er war alt und dürr, die blasse Haut vom Alter gefleckt, doch in seinen tiefliegenden Augen funkelte Intelligenz. Auf einer Backe hatte er einen großen blauen Fleck. Er runzelte die Stirn vor Konzentration und klinischem Widerwillen wie ein Chirurg, dessen Arm bis zum Ellbogen in den Eingeweiden eines Mannes steckt. Saleh begann zu zittern.
    Wer bist du?
, fragte der Mann.
    Doktor Mahmoud
, antwortete ein Teil von Saleh; ein anderer Teil sagte:
Eiscreme-Saleh.
    Und wo ist Ahmad?
    Und noch bevor Saleh nachdenken konnte, erinnerte er sich an den Dschinn, der auf dem Gehweg an ihm vorbeikam und ihm seinen Schlüssel zuwarf:
Ich bin in der Bowery, falls jemand glaubt, mich zu brauchen.
    Der Mann ließ ihn los, und Saleh sackte in sich zusammen, als hätte er keine Knochen im Leib. Er hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, als der Mann ging. Die Kerze rollte ihm mit flackernder Flamme aus der Hand; und das letzte, was Saleh dachte, bevor die Flamme erlosch und er bewusstlos wurde, war, dass er seit Jahren nicht mehr in die Flamme einer brennenden Kerze geschaut hatte.

    Der Dschinn stand auf einem Dach in der Bowery und betrachtete die abgerissene Menschenmenge unter sich. Der Himmel hatte sich geweigert, sein Regenversprechen einzulösen; dicke Wolken hingen tief und reglos über der Stadt wie die bleiche Unterseite eines gigantischen Wurms. Das Dach hatte sich in ein Mosaik aus schmutzigen Matratzen verwandelt; die Prostituierten hatten ihre Geschäfte nach draußen verlegt in der Hoffnung auf eine kühlende Brise.
    Im hintersten Winkel seines Kopfes nagte der Gedanke, dass er einen Plan entwickeln müsste, der über die nächste Viertelstunde hinausreichte. Gereizt schob er ihn beiseite. Pläne, Zeiteinteilung, Verträge – das alles waren trügerische menschliche Erfindungen. Er würde tun, was ihm beliebte, wann es ihm beliebte. Hatte er das nicht zu Arbeely gesagt? Zuvor war er an Conroys Laden vorbeigekommen und hatte kurz überlegt, ob er hineingehen sollte. Vielleicht sollte er seine Dienste anbieten, Gelegenheitsarbeiten im Tausch gegen Silber verrichten. Nein. Wäre das nicht auch eine Art Knechtschaft? Und außerdem, warum sollte er für das Silber arbeiten? In der Wüste war das Silber einfach da gewesen.
    Und dann hatte er eine Idee. Er lächelte, während sie Gestalt annahm. Warum nicht? Es wäre ein herausfordernder und lohnenswerter Zeitvertreib; er müsste sein ganzes Geschick aufbieten, weit mehr als bei der Belagerung von Sophias Balkon. Und wenn das Bestehlen eines Diebs auch keine Ehre einbrachte, so glaubte er, dass er sich auch nicht dafür würde schämen müssen.
    Unverantwortlich
, sagte Chavas Stimme in ihm.
Unmoralisch, unentschuldbar.
    So habe ich früher auch gelebt
, sagte er.
Und so werde ich wieder leben.
    Vermutlich wirst du deinen Spaß dabei

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