Golem und Dschinn: Roman (German Edition)
Boden zumindest war sauber, neuerdings. Zu Ehren seines Gastes hatte Arbeely die schmutzige Wäsche in den Schrank gestopft und sich gegen die Tür gelehnt, bis sie zuschnappte.
Angesichts des Raums empfand der Dschinn eine so heftige Klaustrophobie, dass er kaum eintreten konnte. »Arbeely, dieses Zimmer ist nicht groß genug für zwei. Hier passt kaum einer rein.«
Sie kannten sich jetzt seit gut einer Woche, und Arbeely war bereits klar geworden, dass er sich von den flapsigen Bemerkungen des Dschinns nicht reizen lassen durfte, wenn ihr Arrangement funktionieren sollte. »Was brauche ich mehr?«, fragte er. »Ich bin den ganzen Tag in der Schmiede. Wenn ich hier bin, schlafe ich.« Er deutete auf die Wände und fuhr fort: »Wir könnten ein Laken spannen und ein Feldbett aufstellen. Dann müsstest du nicht mehr in der Werkstatt schlafen.«
Der Dschinn schaute Arbeely an, als hätte er ihn beleidigt. »Aber ich schlafe nicht in der Werkstatt.«
»Wo hast du denn dann geschlafen?«
»Arbeely. Ich schlafe überhaupt nicht.«
Arbeely blieb der Mund offen stehen; das hatte er nicht gewusst. Jeden Abend, wenn er die Werkstatt verließ, blieb der Dschinn noch und lernte, wie man die dünnen Zinnplatten bearbeitete. Und jeden Morgen bei seiner Rückkehr saß der Dschinn bereits an der Werkbank. Im Hinterzimmer stand eine Pritsche für den Fall, dass Arbeely abends zu müde war, um sich noch nach Hause zu schleppen; er hatte angenommen, dass der Dschinn darauf schlief. »Du schläfst nicht«, sagte er. »Du meinst, du schläfst überhaupt nie?«
»Nein, und ich bin froh darüber. Schlaf scheint mir eine ungeheure Zeitverschwendung zu sein.«
»Ich schlafe gern«, widersprach Arbeely.
»Nur weil du müde wirst.«
»Und du nicht?«
»Nicht auf deine Art.«
»Wenn ich nicht schlafen würde«, dachte Arbeely laut nach, »würde ich die Träume vermissen.« Er runzelte die Stirn. »Du weißt doch, was Träume sind, oder?«
»Ja, ich weiß, was Träume sind«, antwortete der Dschinn. »Ich kann in sie hinein.«
Arbeely wurde blass. »Das kannst du?«
»Es ist eine seltene Fähigkeit. Nur ein paar Clans der höchsten Dschinn können es.« Wieder fiel Arbeely seine beiläufige, selbstverständliche Arroganz auf. »Aber ich kann es nur in meiner wahren Gestalt. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, deine Träume sind vor mir sicher.«
»Ja, aber trotzdem, du kannst herzlich gern –«
Gereizt unterbrach ihn der Dschinn. »Arbeely, ich will hier nicht wohnen, weder wach noch schlafend. Ich bleibe lieber in der Werkstatt.«
»Aber du hast gesagt …« Arbeely hielt inne und sprach lieber nicht weiter.
Ich werde wahnsinnig, wenn ich noch länger hier eingesperrt bleibe
, hatte der Dschinn gesagt, und das hatte ihn getroffen. Ihr Plan erforderte, dass sich der Dschinn nicht in der Öffentlichkeit sehen ließ, bis Arbeely ihm genug beigebracht hatte, dass er als neuer Lehrling durchgehen konnte; doch das hieß, dass der Dschinn tagsüber im Hinterzimmer der Werkstatt bleiben musste – ein Raum, ungefähr so klein wie Arbeelys Wohnung. Arbeely verstand, dass der Dschinn unter dieser Einschränkung litt, aber es hatte ihn gekränkt, dass er ihm unterstellt hatte, sein Gefängniswärter zu sein.
»Ich würde mir vermutlich auch blöd vorkommen, wenn ich die ganze Nacht in einem Zimmer bleiben und einem Mann beim Schlafen zuschauen müsste«, räumte Arbeely ein.
»Genau.« Der Dschinn setzte sich auf die Bettkante und sah sich noch einmal um. »Und wirklich, deine Wohnung ist schrecklich.«
Sein Tonfall war so jämmerlich, dass Arbeely lachen musste. »Mir macht es nichts aus, wirklich nicht«, sagte er. »Aber du bist was anderes gewohnt.«
Der Dschinn nickte. »So ist es.« Zerstreut rieb er an der Schelle um sein Handgelenk. »Stell dir vor«, sagte er zu Arbeely, »dass du schläfst und deine Menschenträume träumst. Und dann wachst du auf und bist an einem völlig fremden Ort. Deine Hände und Füße sind gefesselt, und du bist an einen Pfahl gebunden. Du hast keine Ahnung, wer dir das angetan hat. Oder was eigentlich passiert ist. Du weißt nicht, ob du jemals wieder entkommen kannst. Du bist unvorstellbar weit weg von zu Hause. Und dann findet dich ein seltsames Wesen und sagt: ›Ein Arbeely! Aber ich dachte, Arbeelys gibt es nur in Gutenachtgeschichten! Schnell, versteck dich und tu so, als wärst du einer von uns, denn die Leute hier hätten Angst vor dir, wenn sie die Wahrheit
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