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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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Ahnung. Die Schrift auf den meisten Schildern sah so aus.« Der Dschinn nahm einen Bleistift und einen Fetzen Papier und zeichnete ein paar Buchstaben, wie er sie auf den Markisen und Schaufenstern gesehen hatte.
    »Das sind hebräische Buchstaben«, sagte Arbeely. »Du warst in einem jüdischen Viertel.«
    »Kann sein.«
    »Das gefällt mir nicht«, murmelte Arbeely. Er war kein politischer Mensch, und die wenigen Vorurteile, die er hatte, waren harmlos und abstrakt; aber der Gedanke, dass der Dschinn in einem jüdischen Viertel für Ärger sorgen könnte, machte ihm Angst. Die osmanischen Herren im Libanon-Gebirge hatten die christliche und jüdische Bevölkerung lange gegeneinander ausgespielt und sie gezwungen, um die Gunst der Muslime zu konkurrieren. Die Streitigkeiten waren bisweilen blutig und gewaltsam ausgetragen worden, angefacht von Gerüchten über christliches Blut in jüdischem Brot – was Arbeely von vornherein für lächerlich gehalten hatte, obwohl er wusste, dass viele die Gerüchte glaubten. Die Juden in der Lower East Side kamen aus Europa, nicht aus Syrien; aber hier waren sie bei weitem die größere Gemeinde, und es schien mehr als plausibel, dass sie den christlichen Syrern wegen ihrer Glaubensgenossen zürnten.
    »Du hast ihr zu viel erzählt«, sagte Arbeely.
    »Wenn sie es weitererzählt, wird ihr sowieso niemand glauben.«
    »Das heißt nicht, dass sie nicht für Ärger sorgen kann. Was, wenn sie hierherkommt und Gerüchte in die Welt setzt? Oder schlimmer noch, wenn sie den Juden in der Lower East Side erzählt, dass sie ein gefährliches und schreckliches Wesen entdeckt hat, das bei den Syrern in der Washington Street lebt?«
    »Dann lachen wir sie aus und behaupten, dass sie verrückt ist.«
    »Willst du einen ganzen Mob auslachen? Wirst du lachen, wenn sie Sams Laden plündern oder Faddouls Kaffeehaus anzünden?«
    »Aber warum sollten sie –«
    »Sie brauchen keinen Grund!«, rief Arbeely. »Warum verstehst du das bloß nicht? Die Leute brauchen keinen Grund, um Unheil anzurichten, eine Ausrede genügt! Du lebst hier unter guten Menschen, die hart arbeiten, und deine Sorglosigkeit bringt sie in Gefahr. Um Himmels willen, zerstör ihr Leben nicht aus einer Laune heraus.«
    Der Dschinn war erschrocken über Arbeelys Ausbruch. Nie zuvor hatte er ihn so wütend erlebt. »Na gut«, lenkte er ein. »Entschuldige bitte. Ich werde nicht wieder dorthin gehen.«
    »Gut«, sagte Arbeely überrascht, denn er hatte mit einem Streit gerechnet. »Das ist gut. Danke.« Und sie wandten sich beide wieder ihrer Arbeit zu.
     
    Ein paar Abende später schneite es zum ersten Mal richtig. Der Dschinn stand am Fenster seiner Wohnung und sah zu, wie die Stadt lautlos verschwand. Er hatte früher schon Schnee gesehen, der trocken und weiß durch die Wüste trieb oder auf den hohen Gipfeln glitzerte. Aber dieser Schnee dämpfte alles, worauf er fiel, rundete die scharfen Kanten von Gebäuden und Dächern ab. Er sah zu, bis es aufhörte, und dann machte er sich auf.
    Er ging durch den unberührten Schnee zu den Docks, spürte, wie die Flocken unter seinen Füßen nachgaben. Vertäute Boote schaukelten auf dem schwarzen Wasser, die Decks und Takelagen verschneit. In der Nähe befand sich eine Kneipe; die Stimmen und das Gelächter der Männer trieben in der Stille zu ihm.
    Eine solche Ruhe hatte er in dieser Stadt noch nicht erlebt, doch sie fühlte sich zerbrechlich an. Es war ein gestohlener Moment. Am Morgen würde er wieder Bratpfannen schmieden und den Beduinen-Lehrling spielen. Im Verborgenen leben. Er erinnerte sich an die Freude, die er empfunden hatte, als er der Frau erzählte, was er wirklich war. Als wäre er einen Augenblick lang befreit gewesen.
    Gelegentlich sagte eine leise Stimme in ihm,
du bist ein Dummkopf, wenn du nicht nach Hause zurückkehrst.
Aber kaum war der Gedanke aufgetaucht, begrub er ihn unter tausend Ängsten und Einwänden. Selbst wenn er die Überquerung des Ozeans überlebte, konnte er nicht zurück in seinen Glaspalast, zu seinem früheren Leben, solange er in Menschengestalt gefangen war. Er wäre gezwungen, Zuflucht zu suchen in der Siedlung der Dschinn, bei seinesgleichen, aber als Außenseiter, bedauert und gefürchtet, ein abschreckendes Beispiel für die ungezogene Jugend.
Meidet die Menschen, Kinder, oder ihr werdet enden wie er.
    Nein, wenn er entfremdet von den Seinen leben musste, dann lieber in New York. Er würde einen Weg finden, sich zu befreien. Und wenn

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