Golem XIV
hatte sie als einer der ersten in die Massenproduktion eingeführt.
Diese Einrichtungen hatten mit Denkprozessen nur wenig gemeinsam. Sie stellten Datenumformer dar, sowohl auf dem Gebiet der Ökonomie und des Big Business als auch in der Verwaltung und in der Wissenschaft. Sie eroberten sich auch die Politik – schon die ersten wurden darauf verwandt, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vorherzusagen. Ungefähr zur gleichen Zeit gelang es der RAND Corporation, die militärischen Instanzen des Pentagon für die Methode der Prognostizierung von Ereignissen auf der internationalen militärisch-politischen Arena zu interessieren, die darin bestand, sogenannte »Szenarien« auszuarbeiten. Von hier war es nicht mehr weit zu vertrauensvolleren Techniken wie CIMA, aus denen nach zwei Dekaden die angewandte Algebra der Ereignisse entstand, genannt Politomatik. Auch in der Rolle der Kassandra hat der Komputer seine Macht manifestiert, als man zum erstenmal im Institute of Technology von Massachusetts formale Modelle der irdischen Zivilisation im Rahmen des berüchtigten Projekts »The limits to Growth« (Grenzen des Wachstums) anzufertigen begann. Doch nicht dieser Zweig der Komputer-Evolution hat sich für den Ausgang des Jahrhunderts als der wichtigste erwiesen. Die Armee benutzte Rechenmaschinen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, und zwar im Einklang mit dem auf den Schauplätzen dieses Krieges entwickelten System der operativen Logistik. Mit Erwägungen auf der strategischen Stufe befaßten sich die Menschen, jedoch die sekundären und untergeordneten Probleme wurden in zunehmendem Maße den Komputern überantwortet. Zugleich wurden diese dem Verteidigungssystem der Vereinigten Staaten einverleibt.
Sie bildeten die Nervenzellen des kontinentalen Warnsystems. Solche Netze pflegten in technischer Hinsicht sehr rasch zu veralten. Auf das erste, das CONELRAD hieß, folgten viele andere Varianten des Netzes EWAS (Early Warning System). Da das Angriffs- und Verteidigungspotential damals auf dem System der beweglichen (Unterwasser-) und unbeweglichen (unterirdischen) ballistischen Raketen mit thermonuklearen Sprengköpfen beruhte sowie auf dem Kreis der Radar- und Sonarbasen, erfüllten die Rechenmaschinen darin nur Funktionen von Verbindungsgliedern, also rein exekutive Aufgaben.
Die Automation eroberte das Leben Amerikas in breiter Front, zunächst von »unten« – das heißt von der Seite solcher Dienstleistungen, die sich am leichtesten mechanisieren lassen, weil sie keine intellektuelle Aktivität erfordern (Bankwesen, Transport, Hotelbranche). Die militärischen Komputer führten eng spezialisierte Aktionen durch, indem sie Ziele für einen kombinierten Atomschlag suchten, die Ergebnisse der Satellitenbeobachtungen auswerteten, die Bewegungen der Flotten optimalisierten und die Bahnen der MOLs (Military Orbital Laboratory – schwerer militärischer Satellit) koordinierten.
Wie zu erwarten war, wuchs der Bereich der Entscheidungen, die den automatischen Systemen überlassen wurden, unablässig. Das war im Zuge des Rüstungswettlaufs verständlich, jedoch auch die spätere Entspannung verwandelte sich nicht in eine Bremse der Investitionen an dieser Front, denn die Einfrierung des Wasserstoffbombenwettlaufs machte erhebliche Budgetsummen frei, auf die das Pentagon nach Beendigung des Vietnamkrieges nicht vollständig verzichten wollte. Doch auch zu diesem Zeitpunkt übertrafen die produzierten Komputer der zehnten, elften und schließlich zwölften Generation den Menschen nur durch operative Geschwindigkeit. Dadurch wurde ebenfalls klar, daß eben der Mensch in den Verteidigungssystemen ein Element darstellt, das die richtige Reaktion bremst.
Man kann es daher als natürlich ansehen, daß in den Expertenkreisen des Pentagons – vor allem bei den Gelehrten, die mit dem sogenannten »militär-industriellen Komplex« liiert waren – die Idee entstand, dem geschilderten Trend der intellektronischen Evolution entgegenzuwirken. Diese Bewegung wurde gemeinhin als »antiintellektuell« bezeichnet. Wie die Historiker der Wissenschaft und der Technik behaupten, rührte die Bezeichnung von dem englischen Mathematiker um die Mitte des Jahrhunderts, A. Turing, her, dem Schöpfer der Theorie vom »universellen Automaten«. Das war eine Maschine, die jede Operation ausführen konnte, welche sich formalisieren ließ, der man also den Charakter einer vollkommen wiederholbaren Prozedur verleihen konnte. Der Unterschied
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