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Golem XIV

Golem XIV

Titel: Golem XIV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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durchgreifend umformt, zerstört somit in gewissem Grad das Gedächtnis für die eigene Vergangenheit, die vor diesem Eingriff war. – Während die Spieler wachsende kosmotransformative Macht gewinnen – sagt Schuer –, verwischen sie selbst die Spuren des Entwicklungsweges, den der Kosmos bisher durchlaufen hat. Im Grenzfall erweist sich bewirkerische Allmacht als Paralyse der rückschauenden Erkenntnis. Wenn die Spieler dem Kosmos die Eigenschaften einer Brutstätte der Intelligenz zu verleihen suchen, reduzieren sie zu diesem Zweck die Stärke des Entropiegesetzes; nach einer Milliarde von Jahren, nach Verlust des Gedächtnisses für alles, was mit und vor ihnen geschah, bringen sie den Kosmos in den Zustand, von dem Slysch gesprochen hat. Bei Beseitigung der »entropischen Bremse« erfolgt explosionsartiger Biosphärenzuwachs, eine Unmenge unreifer Zivilisationen schaltet sich vorzeitig ins Spiel ein und verursacht seinen Kollaps. So, durch den Zusammenbruch des Spiels, kommt es zum Chaos… woraus nach Äonen ein neues Spielerkollektiv hervortaucht… um das Spiel von neuem zu beginnen. Laut Schuer rollt das Spiel also im Kreis ab, und somit hat die Frage nach dem »Anfang des Universums« keinerlei Sinn. Dieses Bild ist außergewöhnlich, aber unglaubhaft. Wenn wir imstande sind, die Verhängnishaftigkeit des Kollaps vorherzusehen, was gilt dann erst von Voraussagen, wie sie den Spielern zuzutrauen sind!
    Verehrtes Auditorium, ich zeichnete hier ein kristallreines Bild: das eines Spiels, ausgetragen zwischen parsekmilliardenweit voneinander entfernten, in den Knäueln der Sternnebel verborgenen Intelligenzen; und dann trübte ich dieses Bild, überschüttete es mit Unklarheiten, widerstreitenden Vermutungen und glattweg unwahrscheinlichen Hypothesen. Aber dies ist das gewöhnliche Verfahren der Erkenntnis. Die Wissenschaft sieht den Kosmos derzeit als einen Palimpsest von Spielen; das ihnen gegebene Gedächtnis ist tiefer, als das Gedächtnis des einzelnen Spielers reichen kann. Dieses Gedächtnis besteht in dem Zusammenspiel der Naturgesetze, die dem Kosmos die Einheitlichkeit der Bewegung erhalten. Wir betrachten das Universum also jetzt als das Feld milliardenjähriger Arbeiten, die sich äonenweise übereinanderschichten und Zielen entgegenstreben, wovon wir nur die kleinsten, allernächsten Bruchstücke teilweise auffangen können. Ist dieses Bild wahr? Wird nicht irgendwann ein nächstes seine Stelle einnehmen, ein anderes, so von Grund auf abweichendes, wie unser Modell hier, das des Spiels der Intelligenzen, von allen im Lauf der Geschichte entstandenen Modellen von Grund auf abweicht? Statt einer Antwort führe ich hier die Worte meines Lehrers Professor Ernst Ahrens an. Vor vielen Jahren, noch als junger Mann, suchte ich ihn mit den ersten Rohentwürfen auf, die die Konzeption des Spiels enthielten, um ihn nach seiner Meinung zu fragen; damals sagte Ahrens: »Eine Theorie? Gar eine Theorie? Vielleicht ist das keine Theorie. Die Menschheit bricht doch wohl zu den Sternen auf? Also, selbst dann, wenn das nicht existiert, dann handelt es sich da vielleicht um einen Plan, vielleicht wird sich alles irgendwann so und nicht anders abspielen!« Mit diesen – doch wohl nicht bis ins letzte skeptischen! – Worten meines Lehrers möchte ich diesen Vortrag beenden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

MASSACHUSETTS
    INSTITUTE OF TECHNOLOGY
    PRESENTS
     
     
    GOLEM XIV
     
    FOREWORD BY
    IRVING T. CREVE, M. A. PH. D.
    AND
    THOMAS B. FULLER II.
    GENERAL US ARMY, RET.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    MIT PRESS
    2029

Vorrede
     
    Den historischen Moment aufzuspüren, in dem der Prozeßrechner Verstandesqualitäten erreichte, ist ebenso schwer, wie jenen aufzuzeigen, der den Affen in den Menschen verwandelte. Und doch ist kaum ein Menschenleben vergangen seit dem Augenblick, da mit dem Bau des Analysators für Differentialgleichungen von Vannevar Bush die stürmische Entwicklung der Intellektronik eingeleitet wurde. Der nach ihm, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, konstruierte ENIAC war eine Einrichtung, von der die noch verfrühte Bezeichnung des »Elektronenhirns« herrührt. Tatsächlich war ENIAC ein Komputer, und am Lebensbaum gemessen – ein primitives Nervenganglion. Von ihm datieren die Historiker jedoch die Epoche der Komputerisierung. In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts entstand eine beträchtliche Nachfrage nach Rechenmaschinen. Der Konzern IBM

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