Golem XIV
Elementarteilchen aufwendet, 10 19 fach vergrößert, so würde sich die Untersuchung als Aufdeckung des Tatbestandes dadurch in ein Verändern dieses Tatbestandes verwandeln! Anstatt Naturgesetze herauszufinden, würden wir sie unmerklich deformieren.
Das ist der verletzliche Punkt, die Achillesferse des derzeitigen Universums. Die Mikro-Welt bildet gegenwärtig den Hauptbauplatz der Spieler. Sie haben sie unstabil gemacht und steuern sie in gewisser Weise. Es scheint mir, daß sie einen gewissen bereits stabil festgelegten Teil der Physik gleichsam neuerlich aus den Angeln gehoben haben. Sie führen eine Revision durch, setzen bereits erstarrte Gesetze wieder in Bewegung. Deshalb wahren sie das Schweigen, das »strategische Stille« ist. Niemanden von den »Außenstehenden« informieren sie, weder darüber, was sie tun, noch überhaupt darüber, daß das Spiel abrollt. Das Wissen um die Existenz des Spiels stellt ja die ganze Physik in völlig neues Licht. Die Spieler schweigen, um unerwünschte Störungen, Interventionen, zu vermeiden, und werden sicher bis zum Abschluß dieser Arbeiten weiterschweigen. Wie lang dauert bereits dieses Silentium Universi? Das wissen wir nicht; wie sich annehmen läßt, mindestens hundert Millionen Jahre.
Der Kosmos befindet sich also in seiner Physik auf einem Scheideweg. Was bezwecken die Spieler – mit diesem monumentalen Umbau? Auch dies wissen wir nicht. Die Theorie zeigt nur auf, daß sich die Boltzmannsche Konstante zusammen mit anderen Konstanten verkleinern wird, bis sie einen ganz bestimmten Wert erreicht haben wird, den die Spieler benötigen. Wozu aber – das wissen wir nicht. So wie jemand, der das Gambitprinzip schon versteht, nicht notwendig begreift, wozu innerhalb des Ganzen einer Schachpartie diese Operation dient. Was ich noch sagen werde, das geht schon über den äußersten Rand unseres Wissens hinaus. Denn uns steht der reinste Embarras de richesse an mannigfaltigsten im Laufe der letzten paar Jahre geäußerten Hypothesen zur Verfügung. Die Brooklyner Gruppe um Professor Bowman nimmt an, daß die Spieler den »Ritz für die Umkehrbarkeit von Phänomenen« nun schließen wollen, der im Schoße der Materie noch »verblieben« sei, im Bereich der Elementarteilchen. Manche Forscher behaupten, die Schwächung der Entropiegradienten habe bessere Adaptierung des Kosmos für Lebensphänomene zum Ziel, oder sogar, es gehe den Spielern um die »Psychozoisierung« des ganzen Universums. Das sind meiner Ansicht nach übermäßig gewagte Hypothesen, insbesondere auf Grund ihrer Ähnlichkeit mit gewissen anthropozentrischen Vorstellungen.
Der Gedanke, der ganze Kosmos evolviere so, daß er sich in »eine einzige große Intelligenz« verwandeln, sich »psychisieren« werde, bildet das Leitmotiv vieler verschiedenartiger Philosophien – und vieler religiöser Glaubensvorstellungen der Vergangenheit. Professor Ben Nour hat in »Intentional Cosmogony« vorgebracht, die paar erdnächsten Spieler (deren einer sich im Andromedanebel befinden könne) hätten ihre Züge nicht optimal koordiniert, demnach verweile die Erde in einer Region »oszillierender Physik«; das hieße, daß die Theorie des Spiels gar nicht die von den Spielern angewendete Taktik des gegenwärtigen Stadiums zur Abspiegelung brächte, sondern nur ihren örtlichen, recht zufälligen Ausläufer. Ein gewisser Popularisator hat erklärt, die Erde befinde sich in einem »Konfliktgebiet«: die beiden benachbarten Spieler hätten einen »Kleinkrieg« angezettelt, mittels »hinterhältigen Veränderns der Gesetze der Physik«, und dies erkläre die Veränderungen der Boltzmannschen Konstante.
Die Annahme, daß die Spieler den 2. Hauptsatz der Thermodynamik »abschwächen«, ist derzeit sehr beliebt. Interessant finde ich im Zusammenhang damit die Stellungnahme von A. Slysch von der Akademie der Wissenschaften, der in der Arbeit »Logika i Novaja Kosmogonija« auf die Nichteindeutigkeit der Verknüpfung zwischen Physik und Logik hingewiesen hat. – Es ist sehr leicht möglich – sagte Slysch –, daß ein Kosmos mit geschwächter Entropietendenz sehr große Informationssysteme hervorbrächte, die sich als sehr dumm erweisen würden. Dies scheint wahrscheinlich, und zwar im Lichte der Arbeiten einiger junger Mathematiker; sie halten es für möglich, daß die bereits von den Spielern verwirklichten Veränderungen der Physik zu Veränderungen der Mathematik geführt haben, beziehungsweise, deutlicher gesagt, zum
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