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Golem XIV

Golem XIV

Titel: Golem XIV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Wandel der Konstruierbarkeit widerspruchsfreier Systeme in den Formalwissenschaften. Von einem solchen Standpunkt ist es nicht mehr weit zu der These, daß Gödels berühmter, in seiner Arbeit »Über die unentscheidbaren Sätze der formalen Systeme« enthaltener Beweis, der die Grenzen der in der Systemmathematik erreichbaren Perfektion aufzeigt, nicht universal gelte, d. h. nicht »für alle möglichen Kosmen«, sondern nur für den Kosmos in seinem derzeitigen Zustand gültig sei. (Und sogar, daß sich einst, sagen wir, vor einer halben Milliarde von Jahren, der Gödelsche Beweis nicht hätte führen lassen, weil damals die Gesetze für die Konstruierbarkeit mathematischer Systeme anders waren, als sie jetzt sind.)
    Ich muß bekennen, daß ich zwar ausgezeichnet die Beweggründe aller derer verstehe, die nun ihre mannigfaltigen Mutmaßungen über die Ziele des Spiels veröffentlichen, über die Absichten der Spieler, die Hauptwerte, wonach sie sich angeblich richten sollen, und so weiter, daß ich jedoch zugleich über die Präzisionslosigkeit oder den schlechtweg wirren Charakter vieler dieser – oft leichtfertigen – Mutmaßungen einigermaßen beunruhigt bin. Manche Leute stellen sich jetzt den Kosmos so ähnlich wie eine Wohnung vor, die sich alle paar Augenblicke ummöblieren läßt, wie es den Mietern paßt. Ein solches Verhältnis zu den Gesetzen der Physik, zu den Gesetzen der Natur kann nicht in Frage kommen. Das Tempo der realen Umformungen ist, gemessen an unserer Lebenszeit, unerhört langsam. Daraus folgt, wie ich eiligst hinzufüge, absolut nichts in bezug auf die Natur der Spieler selbst, z. B. über ihre angebliche Langlebigkeit oder schlechtweg Unsterblichkeit. Über dieses Thema ist uns ebenfalls nichts bekannt. Vielleicht sind die Spieler, wie schon geschrieben wurde, gar keine lebenden, das heißt biologisch entstandenen Wesen; kann sein, daß die Mitglieder der ersten Zivilisationen sich überhaupt nicht selbst mit dem Spiel befassen, und zwar seit uralten Zeiten nicht, sondern es irgendwelchen riesigen Automaten übertragen haben, den Steuerzentren der Kosmogonie. Kann sein, daß viele der Urzivilisationen, die das Spiel eingeleitet haben, nicht mehr bestehen, daß ihre Rolle von selbsttätigen Anlagen ausgefüllt wird und daß diese einen Teil der Spielpartner stellen. Das alles kann sein, und auf solche Fragen erlangen wir keine Antwort, nicht in einem Jahr und, wie ich meine, auch nicht in hundert Jahren.
    Gleichwohl haben wir bestimmtes neues Wissen erlangt. Wie dies bei Wissen so zu sein pflegt, offenbart es mehr in den Fragen der Begrenzungen des Handelns als in denen seiner Macht. Gewisse Theoretiker meinen heute, daß die Spieler, wenn sie nur wollten, jene Genauigkeitsbeschränkung aufheben könnten, die den Messungen die Heisenbergsche Unschärferelation auferlegt. (Doktor John Command äußerte den Gedanken, die Unschärferelation sei ein taktisches Manöver, die Spieler hätten sie in gleicher Rolle eingeführt wie die Regel des Silentium Universi: damit »niemand die Physik auf unerwünschte Weise manipulieren könne, wenn er selbst kein Spieler sei«.) Selbst wenn dies so ist, können die Spieler die Koppelung nicht aufheben, die zwischen Veränderungen der Materiegesetze und dem Wirken des Geistes besteht: denn er ist aus ebendieser Materie aufgebaut. Die Vorstellung, es ließe sich eine »für alle konstruierbaren Weltalls« gültige Logik oder Metalogik verfertigen, ist irrig, und dies hat sich heute bereits beweisen lassen. Ich persönlich meine, daß die Spieler, die ja diesen Tatbestand bestens begreifen, Schwierigkeiten genug haben; versteht sich, Schwierigkeiten anderen Maßstabs und Ranges als wir!
    Wenn das Bewußtsein, daß die Spieler nicht allwissend sind, uns mit Unruhe erfüllen kann, weil wir uns dadurch das dem Kosmogoniespiel innewohnende Risiko vergegenwärtigen, dann nähert diese Reflexion doch zugleich unsere Lebenssituation jählings der Seinslage der Spieler an: denn im Universum ist niemand allmächtig. Die höchsten Zivilisationen sind auch Teile, die das Ganze nicht bis ins letzte kennen.
    Ronald Schuer hat das Aufwerfen kühner Vermutungen am weitesten getrieben: in »Reason-Made Universe-Laws versus Rules« sagte er, je tiefgreifender die Spieler den Kosmos umwandelten, desto stärker änderten sie sich selbst ab. Die Veränderung führe zu der von Schuer so bezeichneten »Guillotinierung des Gedächtnisses«. Denn in der Tat, wer sich sehr

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