GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit
Tesla-Stiftung.«
»Die Reparatur von Goliath wird die Friedensbereitschaft der Deutschen stärken.« Dr. Barlow fixierte Deryn streng. »Es Alek zu erzählen, wäre ein Fehler.«
»Aber er ist nicht Ihre Marionette, Dr. Barlow! Können Sie sich vorstellen, was er fühlt? Er hat geglaubt, der Krieg wäre inzwischen längst beendet.«
»Wohl wahr«, sagte Miss Eierkopf. »Warum wollen Sie es da zusätzlich verschlimmern, indem Sie ihm erzählen, dass Tesla einen Narren aus ihm gemacht hat?«
Deryn lag der Protest auf der Zunge, aber Miss Eierkopf hatte in einem recht. Es würde Alek niederschmettern, wenn er erfuhr, dass sein Schicksal auf Lügen beruhte und nichts als ein kosmischer Zufall war.
»Aber Alek glaubt, es sei seine Schuld, dass der Krieg weitergeht, weil er die Maschine nach Teslas Tod abgeschaltet hat.«
»Das ist ganz und gar nicht seine Schuld, Deryn«, sagte Miss Eierkopf. »Und der Krieg wird eines Tages enden. Das ist nun einmal mit Kriegen so.«
Sie steckten Alek den Orden im Frachtraum an, und die halbe Mannschaft trug Ausgehuniform und stand stramm. Kapitän Hobbes nahm die Verleihung vor, während eine Gruppe Reporter Fotos machte, und unter ihnen befand sich auch ein gewisser Oberpenner von der New York World . Klopp, Hoffman und Bauer trugen neue Zivilkleidung, Graf Volger hingegen seine alte Kavallerieuniform. Sogar einige Diplomaten aus dem österreichisch-ungarischen Konsulat machten ihre Aufwartung, um ihre Chancen zu wahren, falls Alek den Thron tatsächlich besteigen würde.
Deryn gelang es, im Laufe der Zeremonie nicht die Augen zu verdrehen, selbst als sich der Kapitän darüber ausließ, welch schwere Verletzungen Alek erlitten hatte.
»Er ist gestürzt und hat sich den Kopf gestoßen«, murmelte sie.
»Pardon?«, flüsterte jemand hinter ihr, und Deryn drehte sich um. Es war Adela Rogers, die Reporterin von Hearst.
»Nichts.«
»Bestimmt war es nicht nur einfach nichts .« Die Frau kam näher. »Der Oberpage sagt nie etwas ohne Grund.«
Deryn biss sich auf die Lippe, denn am liebsten hätte sie der Frau erklärt, dass sie kein Oberpage war, sondern ein Kadett und ein mit Orden ausgezeichneter Offiziersanwärter. Und bald wäre sie zudem ein geheimer Agent in Diensten der brüllenden Zoologischen Gesellschaft von London!
Stattdessen wandte sie sich ab und sagte leise: »Er hat Besseres geleistet, das ist alles.«
»Da haben Sie vielleicht recht. Ich war in der Nacht dabei, als Tesla gestorben ist.«
Deryn blickte Miss Rogers erneut an und fragte sich, was sie damit sagen wollte.
»Jedenfalls habe ich sehr deutlich beobachten können«, erklärte die Frau, »wie entschlossen Seine Hoheit schien, Mr. Tesla aufzuhalten.«
»Alek hat in jener Nacht dieses Schiff gerettet.«
»Und auch Berlin, wie mir zu Ohren gekommen ist.« Die Frau zückte ihren Notizblock. »Tatsächlich behaupten manche Leute, der Krieg könnte längst beendet sein, wenn Goliath abgefeuert worden wäre, doch Prinz Aleksandar wollte das nicht. Schließlich ist er ein Mechanist.«
»Niemand weiß ja, ob dieser Apparat …«, setzte Deryn an und unterbrach sich. Da bewegte sie sich viel zu nah an Dr. Barlows Geheimnis heran.
Warum konnte denn niemand erkennen, dass Alek mehr als jeder andere getan hatte, um diesen Krieg zu beenden? Er hatte der osmanischen Revolution sein Gold geschenkt und seine Motoren der Leviathan , die wiederum Tesla aus der Wildnis gerettet hatte. Das war doch wohl schon etwas, oder?
»Sie kennen ein Geheimnis, nicht wahr, Oberpage?«, fragte die Frau. »Wie immer.«
Deryn zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nur, dass Seine Durchlaucht Prinz Aleksandar den Frieden herbeiführen möchte, ganz wie er sagt. Und das können Sie zitieren.«
42. KAPITEL
Nach der Zeremonie, nachdem die Fotografen ihre Fotos gemacht und die Diplomaten und Würdenträger gratuliert hatten, ging Alek auf die Suche nach Deryn. Doch ehe er zwei Schritte getan hatte, wurde er von Kapitän Hobbes und Miss Eierkopf in die Zange genommen.
»Durchlaucht, ich möchte noch einmal gratulieren!«, sagte der Kapitän und salutierte diesmal, anstatt sich zu verbeugen. Als Alek ebenfalls salutierte, stellte er sich einen kurzen Moment vor, wieder Mitglied der Mannschaft zu sein. Aber dieser Traum war ein für alle Mal ausgeträumt.
»Danke, Sir. Für dies und …« Er zuckte mit den Schultern. »Dafür, dass Sie uns nie ins Schiffsgefängnis geworfen haben.«
Kapitän Hobbes lächelte. »In jenen ersten Tagen
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