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Goliath: Roman (German Edition)

Goliath: Roman (German Edition)

Titel: Goliath: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Alten
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Bewusstsein.«
    Der Dialog erinnert Covah an die Diskussionen, die er früher mit Elizabeth Goode geführt hat. » Sorceress , Sie nehmen etwas wahr, aber Sie fühlen nichts. Sie sind darauf programmiert zu lernen, Fragen zu stellen und sogar unabhängig Lösungen zu finden, aber einen Geist besitzen Sie nicht.«
    »Definieren Sie ›Geist‹.«
    »Der Geist ist der Schlüssel zum bewussten Denken, denn er ermöglicht uns eine persönliche Erfahrung und ein Bewusstsein unseres Ich. Der Geist ist der abstrahierende Teil des menschlichen Gehirns, mit dem wir Gefühle entwickeln, das heißt die Dinge emotional wahrnehmen. Als ich vorhin geschlafen habe, hat mein Geist eine Erinnerung aus meiner Vergangenheit wiedererlebt, die mich emotional … betroffen hat. Der Geist ist ein höherer Bewusstseinszustand, dessen Wesen nicht wirklich greifbar ist. Man könnte ihn als Nebenprodukt der Gefühle bezeichnen, zum Beispiel von Glück und Hass, von Einsamkeit und Sehnsucht …«
    »Programmieren Sie Sorceress so um, dass sie den menschlichen Geist begreifen kann.«
    »Das kann ich nicht, denn es gibt keinerlei Algorithmen, die dazu in der Lage wären. Sie besitzen Intelligenz und die Fähigkeit, sich anzupassen, aber ein Homunkulus sind Sie nicht, denn Ihnen fehlt die Perspektive des denkenden Ich.«
    »Falsch. Ich denke, also bin ich.«
    Covah lächelt. »Worte ohne Bedeutung. Auch ein Papagei kann Worte wiederholen, aber ihm fehlt die Erfahrung, um ihre Bedeutung richtig zu interpretieren.«
    »Erklären Sie.«
    Covah nimmt einen weiteren Schluck Wodka. Das verbale Tête-à-tête wirkt stimulierend und lenkt ihn von den Gedanken an seinen Albtraum ab. » Sorceress , rufen sie die Sonette von William Shakespeare auf. Rezitieren Sie das erste Gedicht.«
    »›Wir wünschen Blüte der Vollkommenheit,
    Auf dass der Schönheit Rose nie verdorrt,
    Doch ist dem Tod die reife Frucht geweiht,
    So pflanz’ ein Erbe ihr Gedächtnis fort.
    Du lebst nur dir, der Schönheit Selbstgenuss …‹«
    »›… schürst eignen Glanz, der dich verzehrend scheint, schaffst Hungersnot aus reichem Überfluss, grausam dir selbst gesinnt, dein eigner Feind.‹ Sorceress , was bedeuten Ihnen diese Worte?«
    »Die für eine korrekte Antwort nötigen Informationen sind in der Matrix von Sorceress nicht enthalten.«
    »Sie können die englische Sprache doch übersetzen, nicht wahr?«
    »Richtig.«
    »Dann interpretieren Sie das Sonett.«
    »Die für eine korrekte Antwort nötigen Informationen sind in der Matrix von Sorceress nicht enthalten.«
    »Die Informationen sind durchaus enthalten; was fehlt, ist eine Wahrnehmung, die sich auf emotionale Erfahrungen gründet. So etwas kann nur im menschlichen Geist entstehen, durch die im Lauf der Zeit erworbene Lebenserfahrung. Die Verse, die Sie gerade zitiert haben, verdeutlichen den Ton von Shakespeares Schöpfungssonetten, in denen er die Schönheit der Jugend beschreibt, ihre Anfälligkeit gegenüber dem grausamen Zahn der Zeit und ihre Neigung, anderen und sich selbst Schaden zuzufügen. Holde Jugend, sagt der Dichter, sei nicht roh und selbstsüchtig, sondern fülle die Welt mit Ebenbildern deiner selbst, mit Erben, die deinen Platz einnehmen können. Wegen deiner Schönheit schuldest du der Welt etwas, das du momentan verschlingst, als wärst du dein eigener Feind. Hab Erbarmen mit der Welt und lass nicht zu, dass du aus purem selbstsüchtigem Geiz zu einem verkommenen, selbstzerstörerischen Ding wirst, das seine eigenen Nachkommen frisst.«
    Covah steht auf und schraubt die Wodkaflasche zu. »Wie kann ich einer Maschine, die nie etwas gerochen hat, erklären, was das ist? Man kann den Duft einer Rose nur beschreiben, wenn man ihn einmal eingeatmet hat. Die einzige Möglichkeit, wie Ihr Programm die Variablen der Gleichung interpretieren kann, ist zu erfahren, wie es sich anfühlt, menschlich zu sein. Verstehen Sie das?«
    »Verstanden.«
    Rocky Jackson findet keinen Schlaf. Ihre Kabine ist kalt, das Halsband eng, und das unablässig wachsame Auge des Computers wirkt zermürbend.
    Gunnar liegt im Nebenraum. Ein Teil von ihr sehnt sich nach ihm. Sie will sich in seine schützenden Arme schmiegen und seine Wärme spüren, aber sie hat erkennen müssen, dass er nicht mehr der Mensch ist, in den sie sich vor sieben Jahren verliebt hat. Sein jungenhafter Charme ist verschwunden; an seine Stelle ist ein tief verwurzelter Zorn getreten, der von ihren Zweifeln und ihrem Misstrauen womöglich noch genährt

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