Goliath: Roman (German Edition)
hebt den Kopf. Er nickt.
Kaigbo steht auf und stellt sich unter die kalte Dusche in der Mitte der Kabine. Trevedi rückt näher an Gunnar heran. Unter seinem Handtuch hat er eine kleine Drahtschere verborgen.
Gunnar beugt sich vor, damit der Tibeter unauffällig sein Halsband erreichen kann. »Schneiden Sie die Verbindungen zum Sender durch«, flüstert er, »aber lassen Sie das Band intakt.« Er hält den Atem an, um auf die Reaktion von Sorceress vorbereitet zu sein.
Mit einem lauten Seufzer hält Kaigbo den Kopf unter das kalte Wasser, um den doppelten metallischen Knips vor dem Mikrofon zu verbergen.
Trevedi rückt hastig zu Rocky hinüber und setzt ihren Sender ebenfalls außer Funktion.
»Könnt ihr uns helfen, das Boot in die Hand zu bekommen?«, flüstert Trevedi.
»Wir können es versuchen«, sagt Rocky, »aber dazu müssen wir zum Herz des Computers vordringen. Was ist aus der Tellermine geworden, die unter dem Prototyp hing?«
Trevedi zuckt die Schultern. »Möglicherweise hat Covah sie von Sorceress in die Waffenkammer im Steuerbordflügel transportieren lassen. Bevor wir das Boot entführt haben, hatte Chau dort schon allerhand Kisten mit Sprengstoff verstaut.«
»Der Computer wird euch den Zugang verweigern«, warnt Kaigbo.
»Ja«, flüstert Gunnar, »aber vielleicht lässt uns David rein.«
An Bord der Boeing 747-400 YAL 1A
11 500 Meter über dem Kongo
General Jackson sitzt auf dem Platz des Kopiloten und schaut zu, wie der Tankstutzen sich in den Bauch der S-3B Viking zurückzieht, die direkt über dem Jumbojet fliegt.
»Wie geht’s Ihnen, Captain?«
Christopher Hoskins, einer der erfahrensten Piloten der Air Force, wendet ihm kurz den Kopf zu. »Ehrlich gesagt, würde ich lieber mit meiner Geländemaschine durch den Schlamm rattern, Sir. Das Fliegen bereitet mir keine Schwierigkeiten, aber das ständige Schlafen auf der Pritsche macht meinen Rücken kaputt.«
»Mir geht’s genauso. Wann haben wir die letzte Abschussposition der Goliath erreicht?«
»In etwa sechs Stunden. Gibt es irgendwas Neues von der Scranton ?«
»Nicht das Geringste.«
Colonel Udelsman kommt ins Cockpit und reicht dem General ein gefaltetes Fax. Mit zitternden Händen liest Jackson den Tagesbericht. Nach vorläufigen Schätzungen hat es in Peking mehr als 2,6 Millionen Tote gegeben, darunter der chinesische Präsident und fast alle hochrangigen Funktionäre der Regierung. Die drei Millionen Menschen, die direkt außerhalb der Todeszone leben, leiden an schweren Verbrennungen und den Folgen der Strahlung. Stündlich sterben mehrere Hundert Opfer. Von überallher auf der Welt sind medizinische Teams und Hilfsgüter unterwegs, aber die Lage ist völlig außer Kontrolle. Die Krankenhäuser sind hoffnungslos überlastet; Millionen von Menschen fliehen in sinnloser Panik aufs Land.
Auf der zweiten Seite steht ein Bericht von Amnesty International, der bestätigt, dass alle chinesischen Truppen und Zivilisten aus der tibetischen Hauptstadt Lhasa geflohen sind. Siebentausend Gefangene wurden freigelassen und legen ein furchtbares Zeugnis für sechzig Jahre Brutalität und Folter ab.
Die letzten zehn Seiten beschreiben die Urangst, die die ganze Welt ergriffen hat. Die Wirtschaft ist zum Stillstand gekommen, die meisten Firmen, Geschäfte und Schulen wurden geschlossen. Auch die Banken sind geschlossen, sodass die Menschen plündern müssen, um zu überleben. In den Vereinigten Staaten hat die Nationalgarde an strategischen Stellen Position bezogen und überwacht die nächtliche Ausgangssperre. Die Menschen verlassen die Großstädte. Washington ist eine Geisterstadt, da der Präsident und sein Kabinett sich in den unterirdischen Bunker im Mount Weather zurückgezogen haben.
Das atomare Schreckgespenst ist Wirklichkeit geworden. Die Menschheit hat eine gefährliche Schwelle überschritten; nie wieder wird es so wie früher sein.
Jackson spürt, wie er am ganzen Körper in kalten Schweiß ausbricht. Er verlässt das Cockpit, geht zu seinem Sitz im Kontrollraum zurück, richtet die Belüftungsdüse auf sein Gesicht und lockert seine Krawatte.
Übelkeit steigt in ihm auf. Er springt auf, stürzt in einen leeren Toilettenraum und speit sein Frühstück in die Kloschüssel.
An Bord der Goliath
Die wasserdichte Tür schwingt auf. David Paniagua kommt aus dem Operationssaal und stolpert um ein Haar über eine am Boden liegende Gestalt. Es ist Gunnar, der reglos daliegt, eine leere Wodkaflasche neben der offenen
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