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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Tron, ganz im Stil der Principessa, über die Gläser ihres Kneifers hinweg an.
    «Was gefällt dir?»
    «Das Treppenhaus mit dem Spruchband», sagte  Tron. «Die goldene Schrift auf dem roten Samt. Dieses neue Spruchband betont den bröckligen Charme des Treppenhauses, die Patina auf dem Marmorgeländer, die Spuren der Zeit.» Er lächelte. «Es verwandelt das Treppenhaus in ein memento mori, in ein Sinnbild der Vergänglichkeit.»
    Einen Moment lang schien die Contessa irritiert zu sein. Sie runzelte die Stirn und sah Tron sorgenvoll an. «Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Alvise», sagte sie schließlich. «Aber unser Treppenhaus scheint mir dringend renovierungsbedürftig zu sein.»
    Dann weiter im Geschäftston: «Das mit den Spruchbändern war übrigens Alessandros Idee.»
    Alessandro, der in weißen Servierhandschuhen  vor der Kredenz stand und dessen altmodische Berufsauffassung es ihm verbot, während des Servierens ein Gespräch zu führen, beschränkte sich auf eine schweigende Verneigung.
    «Wir beabsichtigen», fuhr die Contessa im selben Geschäftston fort, «weitere Spruchbänder im andron und im Vestibül aufzuhängen.» Es blieb unklar, wen sie mit wir meinte. In letzter Zeit sprach sie, schon ganz erfolgreiche Direktorin von Tron-Glas, gerne im Pluralis Majestatis. «Im Vestibül vor dem Ballsaal wird das Spruchband über den Vitrinen hängen, in denen wir unsere Produkte präsentieren.»
    Tron, der das Wort Produkte nicht ausstehen konnte, sagte: «Du meinst, die Gläser, die Aschenbecher und die Blumenvasen?»
    Die Contessa ging über Trons Frage hinweg.
    «Produkte», sagte sie, «die alle mit einem kleinen eingeschliffenen ‹T› gekennzeichnet werden. Wir brauchen einen Wiedererkennungseffekt als Marke, wenn wir den Exportanteil unserer Produktion steigern wollen.»
    Tron beugte sich über den Tisch. «Den was, bitte?»
    «Den Anteil unserer Glasproduktion», erläuterte die Contessa, «der ins Ausland verkauft wird. Auf den lokalen Märkten können wir nicht weiter expandieren. Das sagt jedenfalls die Principessa.»
    Trons Blick fiel auf den großen, zerschlissenen Gobelin, der hinter der Contessa an der Wand hing.
    Venezianische Schauerleute beluden eine Trireme, eine Handelsgaleere, mit Kisten und Fässern. Vermutlich, dachte Tron, befand sich in den Fässern Salz und in den Kisten Glas. Ein prächtig gekleideter venezianischer Handelsherr überwachte den Ladevorgang. Neben ihm stand ein Mohr, auf dessen Schultern ein Papagei hockte. Vielleicht handelte es sich aber auch um eine Mohrin oder gar um einen Tür ken. Der schlechte Zustand des Gobelins ließ viel Raum für Mutmaßungen. Alles in Venedig, dachte Tron, ließ Raum für Mutmaßungen. Er sagte: «Es wird also wieder so sein wie vor einem halben Jahrtausend.»
    Die Contessa hob ihre Gabel von der grätigen  Seezunge und sah Tron irritiert an. «Wie bitte?»
    «Als wir nach Flandern, nach Frankreich, in die Levante und nach England exportiert haben.» Tron seufzte. «Ich dachte, das alles hätten wir hinter uns.»
    Die Contessa warf einen mürrischen Blick über den Tisch. «Zumindest scheinst du einen harten Tag hinter dir zu haben.»
    Tron lächelte schief. «Noch nicht ganz. Ich muss nachher zum Bahnhof. Jemanden sprechen, der mit dem Elf-Uhr-Zug aus Mailand kommt. Es geht um den Diebstahl eines Gemäldes aus dem Palazzo da Lezze.»
    Die Contessa runzelte die Stirn. «Ist dieser ungarische Kunsthändler bestohlen worden?»
    «Du kennst ihn?»
    «Bea Mocenigo hat hin und wieder etwas an ihn verkauft. Der Bursche ist ein Halsabschneider.»
    « War ein Halsabschneider», sagte Tron. «Jemand hat ihn gestern im Palazzo da Lezze erdrosselt und ein Gemälde gestohlen. Das einer Signora Caserta gehört», setzte er noch hinzu, «die es ihm zur Ansicht überlassen hatte.»
    «Es gibt keine Casertas in Venedig», sagte die Contessa nach kurzem Nachdenken.

    «Signora Caserta kommt auch aus Rom. Sie be wohnt eine Suite im Regina e Gran Canal. Bossi behauptet, dass sie nicht die Person ist, die sie vorgibt zu sein.»
    «Eine Hochstaplerin?»
    «Eher das Gegenteil. Bossi hält sie für eine Marchesa di Caserta. Jemand aus dem Umkreis des Kö nigs beider Sizilien.»
    Die Contessa machte ein nachdenkliches Gesicht.
    «Spricht diese Signora Caserta neapolitanisches Italienisch mit einem leichten Akzent?»
    Tron nickte. «Mit irgendeiner Beimischung.»
    «Die sich deutsch anhört?»
    «Das könnte sein.»
    «Wie alt ist sie?»
    «Höchstens

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