Gondeln aus Glas
seine Finger und zuckte die Achseln.
«Die Zeichnung, die ich Kostolany zur Ansicht im Palazzo da Lezze gelassen hatte, war tatsächlich eine Fälschung.»
Was entweder bedeutete, dass Valmarana die Absicht gehabt hatte, Kostolany zu betrügen, und den Streit inszeniert hatte, um sein Gesicht zu wahren – oder sich selber über die Zeichnung im Unklaren war. Tron fragte: «Hast du das gewusst?»
Valmarana schüttelte den Kopf. «Das habe ich erst später erfahren. Ich hatte das Wasserzeichen nicht bemerkt.»
Tron sah, wie die kroatische Patrouille zum zweiten Mal an ihrem Abteilfenster vorüberzog, doch diesmal beachtete sie Valmarana nicht. «Es gibt eine weitere Zeichnung in unserem Besitz», sagte Valmarana schließlich. «Ebenfalls ein Entwurf zu irgendwelchen Fresken. Vom selben Künstler gezeichnet.
Mit der war ich bei diesem Franzosen an der Piazza.»
«Alphonse de Sivry. Was hat er gesagt?» Tron wusste immer noch nicht, worauf Valmarana hinauswollte.
Der sah ihn jetzt mit einem sarkastischen Lächeln an. «Dass das Papier ein Wasserzeichen aus dem 17. Jahrhundert hat.»
Ein Wasserzeichen aus dem 17. Jahrhundert?
Tron räusperte sich, um Zeit zu gewinnen. Schließ lich hatte er es begriffen. Es war so einfach. «Da war Raffael bereits tot», sagte er.
Valmarana nickte – ein wenig herablassend, was Tron ärgerte. «Und in dem Blatt», fuhr Valmarana fort, «das ich Kostolany angeboten hatte, war tatsächlich dasselbe Wasserzeichen. Leider war es nur unter der Lupe zu erkennen. Ich war fest davon überzeugt, dass das Papier kein Wasserzeichen hatte.» Valmarana lehnte sich seufzend zurück. «Jedenfalls hatte Kostolany Recht. Er hat auch nie versucht, uns eine Kopie unterzuschieben.»
«Und warum bist du am Donnerstagabend im Palazzo da Lezze gewesen?»
Valmarana setzte ein nachsichtiges Lächeln auf.
«Um mich zu entschuldigen.»
«Dann verstehe ich nicht, warum deine Frau nichts davon erwähnt hat.»
«Weil ich es ihr nicht gesagt hatte.» Valmarana zuckte die Achseln. «Ich hatte immer behauptet, dass uns die Zeichnungen viel Geld bringen würden.
Und dass nun auch die zweite Zeichnung kein Original ist, wäre eine große Enttäuschung für sie gewesen.» Er schwieg und starrte einen Moment lang auf die Handschuhe, die vor ihm auf dem Tisch lagen.
Schließlich sagte er: «Außerdem ist das letzte Wort über die Blätter noch nicht gesprochen. Sivry hat etwas angedeutet, was hochinteressant ist. Darüber wollte ich auch am Donnerstag mit Kostolany reden.»
«Was hat Sivry angedeutet?»
«Es geht um die zwei Buchstaben auf der Rückseite der Zeichnung.»
Tron beugte sich über den Tisch. «Das ‹C› und das ‹I›?»
Valmarana nickte. «Diese Buchstaben könnten den Wert der Blätter beträchtlich steigern. Das ‹I› ist übrigens ein ‹L› – sagt jedenfalls Sivry.»
«Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.»
«Kennst du einen Maler namens Lorrain?»
Tron nickte. «Natürlich. Claude Lorrain.»
«Nun, ich kannte ihn nicht», sagte Valmarana verdrossen.
«Jedenfalls war dieser Lorrain in Rom, und Sivry will nicht ausschließen, dass es sich um Zeichnungen von ihm handelt.»
«Die dann erheblich mehr wert wären als eine anonyme Fälschung», sagte Tron nachdenklich. «Wie der Lorrain von Turner, der 1815 in London ausgestellt wurde und vermutlich das Doppelte kostet wie ein echter Claude. Eine Fälschung, die in gewisser Weise ein Original ist.»
Valmaranas irritierter Miene war anzusehen, dass er mit einer Fälschung, die ein Original war, nicht viel anfangen konnte. Er beschränkte sich darauf, seine Handschuhe vom Tisch zu nehmen und zu sagen: «Ich schätze, du wirst morgen zu Sivry gehen und meine Geschichte überprüfen.»
«Ich bin Polizist», sagte Tron. Er erhob sich, und auch Valmarana hievte sich aus den Polstern und strich seine dunkelrote Eisenbahneruniform sorgfältig glatt.
Sie standen wieder auf dem Bahnsteig. Eine albanische Putzkolonne kam ihnen entgegen, um sich gleich mit Besen und Eimern auf die einzelnen Coupés zu verteilen. Tron vermutete, dass niemand aus der Kolonne eine gültige Arbeitserlaubnis besaß, aber da die Stazione Santa Lucia in die Zuständigkeit der Militärverwaltung fiel, ging das die venezianische Polizei nichts an.
«Und wie läuft es sonst?» Tron musste an die Mieter im Palazzo Valmarana denken. «Offenbar habt ihr gut vermietet.»
«Die Mieter bringen Geld», sagte Valmarana. «Wir konnten im letzten
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