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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Tron, «ist mit dem Original des Gemäldes nach Venedig gekommen, um es hier zu verkaufen. Der Kunsthändler, dem sie es eine Nacht zur Ansicht überlassen wollte, ist ermordet worden.»
    «Wobei vermutlich der Tizian gestohlen wurde.»
    Tron nickte. «Wir haben den Tizian inzwischen bei einem Verdächtigen gefunden. Aber der Mann sagt, er habe das Bild bereits vor zwei Monaten gekauft und vermutet, dass es sich um eine Kopie handelt.»
    Der Pater begriff sofort, worauf es ankam. «Was ihn zweifellos entlasten würde», sagte er. «Bei wem hat er es gekauft?»
    «Bei dem ermordeten Kunsthändler.»
    «Der seine Aussage nicht mehr bestätigen kann», sagte Pater Terenzio. «Ihr Verdächtiger braucht also den Nachweis, dass es sich bei diesem Tizian um eine Kopie handelt.»
    Tron nickte. «Leider waren weder die Königin  noch Oberst Orlow in der Lage …»

    Pater Terenzio fiel Tron ins Wort. «Ihnen zu sagen, ob es sich bei dem Bild um eine Kopie oder um das Original handelt.» Der Pater lächelte eitel. «Das überrascht mich nicht.» Er ordnete die Falten, die seine Kutte über seinem Knie warf. «Selbst einem Experten dürfte es schwer fallen, das Original von den beiden Kopien zu unterscheiden.»
    Moment mal. Hatte er sich da verhört? Oder hatte Pater Terenzio tatsächlich von zwei Kopien gesprochen? Tron sah Pater Terenzio gespannt an. «Sagten Sie eine der beiden Kopien? Gab es zwei Kopien?»
    Pater Terenzio nickte – völlig unbefangen.
    «Oberst Orlow hatte zwei Kopien bestellt. Eine war für Erzherzog Maximilian bestimmt. Die andere sollte nach Wien gehen.»
    «Und der Auftrag ist Ihnen direkt von Oberst Orlow erteilt worden?»
    «Er hat mir den Auftrag erteilt und mich anschlie ßend bezahlt.»
    «Haben Sie die Königin jemals persönlich getroffen?»
    Pater Terenzio schüttelte den Kopf. «Dazu ist es bedauerlicherweise nie gekommen.»
    «Wusste Marie Sophie, dass nicht nur eine, sondern zwei Kopien bestellt worden waren?»
    «Warum sollte sie das nicht wissen?»
    «Weil von einer zweiten Kopie nie die Rede  war.»
    Der Pater stieß einen Pfiff aus. «Dann hat Oberst Orlow die zweite Kopie also ohne Wissen der Königin anfertigen lassen.» Er überlegte einen Moment lang. «Meinen Sie, dass er die Kopie hier in Venedig verkauft hat?»
    «Das wäre denkbar.» Tron hob bedauernd die  Schultern, um anzudeuten, dass er die zweite Möglichkeit für reine Theorie hielt. Er sagte: «Es wäre aber ebenfalls denkbar, dass Sie eine zweite Kopie angefertigt haben, um sie hier in Venedig zu verkaufen.»
    Pater Terenzio lächelte amüsiert. «Ich kann Ihnen nicht beweisen, dass es nicht so war. Aber vermutlich hätten Sie für die Behauptung, dass ich das Gemälde hier in Venedig verkauft habe, ebenso wenig einen Beweis.» Er trat seine Zigarette auf den Holzbrettern der Plattform aus. «Werden Sie mich jetzt auffordern, die Stadt nicht zu verlassen?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Ich möchte Sie lediglich bitten, morgen früh in die Questura zu kommen, um sich das Gemälde anzusehen.»
    «Was verstehen Sie unter früh, Commissario?»
    «Wäre Ihnen zehn Uhr angenehm?»
    Pater Terenzio zuckte die Achseln. «Wie Sie  wünschen.» Er zog wieder eine Zigarette aus dem Ärmel seiner Kutte, aber diesmal hielt er sie nur zwischen den Fingern, ohne sie anzuzünden. «Haben Sie die Absicht, Oberst Orlow ebenfalls um zehn auf die Questura zu bitten?»
    Nein, dachte Tron, diese Absicht hatte er nicht.
    Aber das wäre zweifellos eine spannende Begegnung.
    «Legen Sie denn Wert darauf, den Oberst zu sehen?»

    Die Antwort des Paters kam ohne Zögern. Und  jetzt hörte er sich wirklich aufgebracht an. «Oberst Orlow hat mir indirekt unterstellt, ich hätte hinter seinem Rücken eine zweite Kopie angefertigt. Vielleicht sollte man ihm die Gelegenheit geben, die Sache aufzuklären.» Pater Terenzio sah Tron wütend an, und seine dunklen Augen funkelten durch das Spinngewebe aus Schatten, das das Geländer des Gerüstes auf sein Gesicht warf. «Ja, ich finde, Sie sollten den Oberst ebenfalls auf die Questura bitten, Commissario.»

20
    Er trug einen leichten Sommeranzug, dazu Stiefel mit hellen Gamaschen, in der Hand einen Stock aus Eschenholz, um bissige Hunde und bettelnde Kinder abzuwehren. Sein runder Strohhut, den er praktisch nie aufsetzte (und anschließend in einem der Kanäle entsorgen würde), war Tarnung genug. Selbstverständlich war er nicht bewaffnet. Dass er an Ort und Stelle gezwungen sein würde, zu

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