Gondeln aus Glas
nickte. «So ungefähr.»
Oberst Orlow lächelte – ein wenig gequält, wie es Tron schien. «Eine etwas abenteuerliche Theorie, Commissario.»
«Was wissen Sie über diesen Pater Terenzio?»
Orlow zuckte die Achseln. «Er gilt als ein genialer Kopist. Ein Dominikaner. Aber kein Fanatiker.»
«Halten Sie es für möglich, dass er eine zweite Kopie angefertigt und hier in Venedig verkauft hat?»
Orlow überlegte kurz. Dann sagte er: «Ich halte es eher für unwahrscheinlich. Aber auch wenn er es getan hat – wie könnten Sie es ihm beweisen?»
«Indem wir dieses Bild einem Experten zur Ansicht geben.» Tron war sich sicher, dass Sivry in der Lage sein würde, eine Kopie von einem Original zu unterscheiden. Immerhin waren Fälschungen sein Spezialgebiet.
«Und wenn sich herausstellt, dass es sich um eine Kopie handelt?»
«Dann hat der Pater tatsächlich eine zweite Kopie angefertigt und ist Ihnen eine Erklärung schuldig.»
Oberst Orlow tat diesen Vorschlag mit einem Schulterzucken ab. «Pater Terenzio ist in Rom.»
Dass Bossi sich zu Wort meldete, wenn Tron Gespräche führte oder einen Verdächtigen vernahm, war noch nie vorgekommen. Aber nun tat er es. Der Sergente machte einen Schritt nach vorne, nahm eine militärische Haltung ein und sagte: «Der Pater ist nicht in Rom, Herr Oberst.»
«Wie?» Orlow warf einen verärgerten Blick auf Bossi. Er schien nicht erbaut darüber zu sein, dass jemand aus den Mannschaftsrängen sich ungefragt zu Wort meldete.
Aber Bossi ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
«Ein Pater Terenzio ist seit zwei Monaten in Venedig.
Er restauriert das Deckengemälde in San Pantalon.»
«Woher wissen Sie das, Sergente?»
«Ich wohne am Campiello Mosca», sagte Bossi.
«San Pantalon ist unsere Kirche. Der Pater ist jeden Tag bis zum späten Nachmittag auf seinem Gerüst.»
«In diesem Fall», sagte Tron, «sollte ich vielleicht ein Wort mit dem Pater reden.»
Oberst Orlow runzelte die Stirn. «Und wann?»
Tron konsultierte seine Repetieruhr. Der Zeiger stand auf kurz vor eins, und wie zur Bestätigung hallte ein klingender Schlag von der Salute über den Canalazzo. «Ich könnte sofort gehen», sagte er.
Der Oberst hatte die Mundwinkel skeptisch he rabgezogen und schien nichts von einer Unterredung mit Pater Terenzio zu halten. «Was versprechen Sie sich davon? Es gibt keinen Beweis dafür, dass dieses Gemälde eine Kopie ist. Nur die Behauptung eines Verdächtigen.»
«Das ist richtig», sagte Tron. «Aber bei dem Mann, der unter Verdacht steht, handelt es sich um den russischen Konsul in Venedig.»
Oberst Orlow machte kein Hehl aus seiner Überraschung. «Sprechen Sie von Troubetzkoy?»
«Sie kennen den Großfürsten?»
«Wir sind uns in St. Petersburg begegnet.»
«Kennen Sie ihn gut?»
Oberst Orlow schüttelte den Kopf. «Flüchtig.
Fragen Sie mich also bitte nicht, ob ich ihm einen Mord zutrauen würde. Weswegen steht der Groß fürst unter Verdacht?»
«Kostolany hat Gemälde für den Zaren gekauft und über Troubetzkoy abgerechnet. Dabei soll der Großfürst exorbitante Provisionen kassiert haben.»
Oberst Orlow hob die Augenbrauen. «Sie meinen, Troubetzkoy hat den Zaren betrogen?»
Tron nickte. «Darauf läuft es wohl hinaus. Kostolany hatte angeblich ein Dossier darüber vorbereitet.»
«Worauf Troubetzkoy ihn ermordet und den Tizian mitgenommen hat, um einen Raubmord vorzutäuschen.»
«Das war unsere Annahme», sagte Tron. «Aber jetzt behauptet der Großfürst, der Tizian, den wir auf seinem Schiff sichergestellt haben, sei eine Kopie, die er vor zwei Monaten von Kostolany gekauft hat.»
«Offenbar sind Sie von der Richtigkeit dieser Aussage nicht überzeugt, Commissario.»
Tron schüttelte den Kopf. «Es sei denn, ich höre von Pater Terenzio, dass tatsächlich zwei Kopien des Gemäldes angefertigt worden sind. So lange steht der Großfürst für mich unter Verdacht.»
Oberst Orlow zog ein besorgtes Gesicht. «Ist Ihnen klar, dass Sie sich auf dünnem Eis bewegen, wenn Sie gegen einen solchen Mann ermitteln?»
Tron nickte. «Selbstverständlich. Es gibt eine direkte Anweisung des Stadtkommandanten, den Großfürsten mit Samthandschuhen anzufassen. Niemand möchte, dass ein Schatten auf die guten Beziehungen zwischen Wien und St. Petersburg fällt. Ich muss also jeder Möglichkeit, dass Seine Hoheit unschuldig ist, sorgfältig nachgehen.» Das mit dem Stadtkommandanten stimmte nicht, aber es hörte sich gut an.
Der Oberst hätte
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