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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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plötzlichen Eingebung folgend: «Mir persönlich gefällt der Correggio in deinem Schlafzimmer erheblich besser.»
    Wie zwanglos er die Rede auf das Schlafzimmer der Principessa gebracht hatte! Mit zerstreuter Miene fügte er noch hinzu: «Speziell diese kleine Katze am linken Bildrand.»
    Die Principessa runzelte die Stirn und sah Tron einen Moment lang verständnislos an. «Die Katze ist ein Windhund, Alvise.»
    Tron machte ein unschuldiges Gesicht. «Bist du sicher?»
    «Natürlich bin ich das.»
    «Ich glaube, du täuschst dich.»
    Die Principessa legte ihren Löffel neben den Teller und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Champagnerglas. «Sei nicht albern. Das Bild hängt direkt über meinem Bett. Ich sehe es jeden Tag.»
    «Wir könnten –», begann Tron und brach den  Satz wieder ab – so als hätte er gerade (total überarbeitet, wie er war) den Faden verloren.
    Die Principessa hob die Augenbrauen. «Nach  oben gehen und das fragliche Tier auf dem Bild überprüfen. Wolltest du das vorschlagen?»
    Tron nickte ernsthaft. «Ein Blick auf das Gemälde würde diesen überflüssigen Streit beenden. Wir könnten zusammen die Gattung des Tieres bestimmen.» Sagte man das so – Gattung? Tron fand, dass das Wort Gattung im Zusammenhang dieses speziellen Satzes einen leicht anzüglichen Beiklang hatte.

    Das Einverständnis der Principessa mit diesem Vorschlag erfolgte sofort. Sie sagte: «Ich sehe keinen sachlichen Einwand gegen diese Überprüfung.»
    Tron spürte den Drang, das Wort Gattung (wie  eckig sich das Wort am Anfang anhörte und wie weich und rund am Ende) ein zweites Mal zu verwenden. Er sagte: «Und wann überprüfen wir die Gattung des Tieres?»
    «Sofort, wenn du möchtest.» Der Blick der Principessa fiel auf den Champagnerkübel und den serviettenumschlungenen Hals der Flasche. «Aber vielleicht sollten wir …»
    «Den Champagner mitnehmen?»
    Die grünen Augen der Principessa blitzten auf.
    «Das ist eine gute Idee, Alvise.»
    Sie erhob sich leicht und schwerelos mit einem lasziven Schwung ihrer Hüften – eine Bewegung, die jedes Mal ein ganz eigenes Gefühl in Trons Magengrube auslöste.
    Tron stand ebenfalls auf und lockerte mit der linken Hand seine Halsbinde. «Vielleicht», sagte er mit einem Blick auf Massouda (oder Moussada?), der vor der Kredenz stand und Gläser polierte, «solltest du Massouda einschärfen, dass wir heute Abend für niemanden …»
    Aber er kam nicht dazu, den Satz zu Ende zu  sprechen, denn in dem Moment öffnete sich die Tür, und der andere Diener der Principessa, Moussada (Massouda?), ebenfalls in Turban und Pluderhosen, zeigte sich auf der Schwelle und hinter ihm, in blauer Uniformjacke, deren oberster Knopf unvorschriftsmäßig geöffnet war, Sergente Valli.
    «Das Gerüst in San Pantalon ist zusammengestürzt», sagte Sergente Valli atemlos. «Es ist umgekippt und auf den Altar gefallen.» Der Sergente sah ein wenig derangiert aus – so als wäre er selbst dem Kollaps der Plattformen nur um Haaresbreite entkommen.
    Tron kannte die Antwort bereits, aber er stellte die Frage trotzdem. «Und Pater Terenzio?»
    «Der Pater ist tot», sagte Sergente Valli.
    «Dr. Lionardo müsste unterwegs sein. Sergente Bossi ist bereits am Unfallort.»

21
    Pater Terenzio, umgeben von allerlei Balken und Brettern und die Arme zur Seite gestreckt wie zwei Flügel, ruhte friedlich auf den Stufen, die zum Hochaltar von San Pantalon führten. Tron fand, dass seine sandfarbene Kutte einen reizvollen Kontrast zu dem roten Teppich bildete, der die Stufen bedeckte.
    Der Pater hatte Augen und Mund leicht geöffnet, was ihm den erstaunten Gesichtsausdruck eines Mannes gab, der gerade eine überraschende Mitteilung erhalten hatte. Für jemanden, der einen rasanten Sturz von der Kirchendecke absolviert hatte, sah Pater Terenzio, bis auf einen Riss in seiner Kutte und einen fehlenden Knopf, erstaunlich unbeschädigt aus, fast so, als hätte man ihn schon für sein Begräbnis hergerichtet – bereit, für die endgültige restitutio ad integrum vor den Thron des Herrn zu treten.
    Den Ort, an dem Pater Terenzio die irdische  Welt verlassen hatte, konnte man allerdings im Moment nicht betreten, denn Sergente Bossi war mit der Herstellung von Unfallfotos beschäftigt und hatte Tron bei dessen Eintreffen signalisiert, dass er noch zwei Aufnahmen machen wolle.
    Also gesellte sich Tron zu der kleinen Schar von Zuschauern, die sich halbkreisförmig vor den Stufen des Altars gruppiert

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